Was macht einen guten Film aus? Was einen missglückten? Sind die Kriterien bei einem Schweizer Film andere als bei einem aus Österreich oder aus Hollywood? Welche Rolle spielt dabei die Filmkritik, die Filmbildung oder gar die Zensur? Mit welchen Mitteln versucht die Filmförderung, die Qualität der geförderten Filme sicherzustellen? Mit welchen Filmschulen oder Festivals? Wie entwickeln sich neue Technologien zu Industriestandards? Muss ein Film heutzutage in 4K gedreht werden, um professionell zu sein, selbst dann, wenn er schliesslich auf einem Smartphone betrachtet wird? Wie konnte aus dem ‹cinéma de qualité› plötzlich das ‹cinéma de papa› werden? Und beginnt nicht ohnehin das ‹quality TV› dem Kino den Rang abzulaufen? Im vorliegenden Band untersucht Henry Taylor in seinem Beitrag, wie im investigativen Reporterfilm journalistische Qualitätskriterien verhandelt und filmisch inszeniert werden. Durch die zunehmenden Attacken auf die Pressefreiheit und die Hinterfragung der Faktizität von Nachrichten an sich erhält dieser Essay eine besondere Brisanz. Marius Kuhn wiederum fragt in seinem Text Holding Out for a Hero nach der Konstitution der Helden und ihren Qualitäten in den neueren Filmen von Clint Eastwood. Er stellt ein Revival von vereinfachten Weltsichten und des damit einhergehenden starken Helden ohne Schwächen fest. In Simon Meiers Beitrag wird die Filmkritik selber zum Untersuchungsgegenstand erhoben und anhand der sich wandelnden Filmbesprechungen bei Siegfried Kracauer aufgezeigt, dass auch filmische Bewertungskriterien einem Zeitenwandel unterliegen und vom gesellschaftlichen Kontext beeinflusst werden. Josephine Diecke untersucht den Wettstreit von Farbfilmverfahren in den Zeiten des Kalten Krieges und versucht zu verstehen, nach welchen Qualitätskriterien die Farbfilmverfahren Agfacolor und Orwocolor der sozialistischen Filmfabrik Wolfen mit dem amerikanischen Kodachrome konkurrierten. Auch im Interview mit Richard Grell von Cinegrell geht es um die Frage nach Qualitätsstandards im letzten noch aktiven fotochemischen Filmlabor der Schweiz. Michel Bodmer thematisiert in seinem Erfahrungsbericht Es muss nicht immer Kaviar sein die Herausforderungen der Programmation für das Schweizer Fernsehen das Zürcher Filmpodium. Margarete Wach zeigt in ihrem Essay Qualität(en) des Laien-Blicks die Bedeutung von Amateurfilmklubs in der Nachkriegszeit Polens auf. Anders als ihre westlichen Pendants wurden die sozialistischen Hobbyfilmer vom Staat bei der Realisierung von Spiel- und Dokumentfilmen unterstützt, verwendeten die Nischen der Klubs aber gleichzeitig für ästhetische und thematische Experimente und Tabubrüche. Hito Steyerl wiederum fragt in ihrem Essay Zur Verteidigung des ärmlichen Bildes nach den Bedeutungsebenen und Verwendungszwecken der immer zahlreicheren Filme, die in schlechter Qualität im Netz kursieren. Dementsprechend fragen Benjamin Eugster und Heinrich Weingartner nach der Zukunft des Kinos im Zeitalter der Digitalisierung, der Mashup-Videos und der interaktiven Filmvorführungen wie ‹YouTube-Slams› und was die neuen Vorführformate für die Qualität der Filme und den Zuschauer bedeuten. Der literarische Beitrag Noch ein bisschen bleiben von Friederike Kretzen versucht der qualitativen Wesensart des vorwärtspreschenden, ungeduldigen Spielfilms auf den Grund zu gehen. Die diesjährigen ‹Statements› von Filmemachern und Vertretern der Filmprogrammation und Filmförderung geben subjektive Einblicke, wie Bewertungskriterien zu vermeintlich ‹guten Filmen› zustande kommen und was dies für ihr eigenes Schaffen bedeutet. Mehdi Sahebis Filmbrief aus Kambodscha gibt einen persönlichen Einblick in die Schaffensperiode zu seinem Dokumentarfilm MIRR (CH 2016). Auch der Bildessay von André Willimann versucht die Komplexität hinter dem Zustandekommen von Qualitätsurteilen bildlich nachzuvollziehen. Unsere Filmkritiken in der Rubrik ‹Sélection Cinema› schliesslich bündeln das Schweizer Filmschaffen des vergangenen Jahres in all seiner Vielfalt, wobei wir hier die unserer Meinung nach herausragendsten Produktionen präsentieren. Wir wünschen viel Vergnügen bei der Lektüre. Für die Redaktion SIMON MEIER, MANUEL JOLLER
CINEMA #64
QUALITÄT
EDITORIAL
ESSAY
MOMENTAUFNAHME
DAS KONTINUIERLICHE SUCHEN NACH DEM RICHTIGEN BILDAUSSCHNITT
CH-FENSTER
FILMBRIEF
FESTIVALBERICHTE
SELECTION CINEMA
CLARA HASKIL (PRUNE JAILLET, PIERRE-OLIVIER FRANÇOIS, PASCAL CLING)