Eine leicht wolkige, weisse Leinwand, ohne Ton: Gefühlsmässig eine Ewigkeit dauernd, sehen wir dieses Weiss für rund 17 Sekunden. Zunehmende Spannung baut sich auf. Dann folgt ein unmerklicher Schnitt zu einer extremen Detailaufnahme eines weissen Blatts Papier, dessen Fasern wir in dieser Mikroaufnahme deutlich sehen können. Mit krachendem Donnern schlagen die gleichsam titanischen Typenhebel einer Schreibmaschine auf das Papier und schreiben leinwandfüllend ein Datum: June 1, 1972. Papier als ein Leitmedium und die Schreibmaschine als journalistische Waffe: So, mit einem historischen Datum auch als dramatische Setzung, auf das ein historisches Ereignis folgen wird, die Fernsehübertragung der Ankunft Präsident Richard Nixons im US-Kongress nach seiner Rückkehr von der China-Mission, gleichsam auf dem Zenit seines Erfolges, beginnt Alan J. Pakulas Watergate-Politthriller All the President’s Men (US 1976). Papier und Schreibmaschine werden im Dienst der dokumentierten Faktentreue und Wahrheit stehen, wobei das Telefon als zentrales Medium der Informationsbeschaffung dient, während bereits die schlechte Qualität der authentischen TV-Bilder, deren trivialer Voice-over-Kommentar das Gezeigte lediglich verdoppelt, allegorisch die Wahrheitsfähigkeit des Mediums Fernsehen in Zweifel zieht, bleibt es doch zu sehr an der Oberfläche der Geschehnisse haften, ohne die tieferliegende Wahrheit im Untergrund (der selbst später durch eine Tiefgarage allegorisiert wird) zu erschliessen. Diese Wahrheit lässt sich nicht einfach abbildend reproduzieren, sondern muss durch ein investigatives Narrativ herausgearbeitet werden, als dessen Domäne im Film der engagierte Printjournalismus fungiert. Und in der Gegenüberstellung von Papier und Schreibmaschine versus die Sphäre der politischen und mit ihr komplizenhaften, dominanten medialen Macht – die im Skandal involvierten Täter erscheinen bei Pakula nur entweder im Off als Telefonstimme oder in authentischen TV-Bildern und werden nicht durch Schauspieler verkörpert – wird implizit auch schon das charakteristische Erzählmotiv von ‹David gegen Goliath› eingeführt.1
Da der Journalisten-Film primär ein amerikanisches Subgenre ist, werden wir uns nachfolgend auf US-Produktionen beschränken. In Zeiten ausgeprägten politischen und gesellschaftlichen Dissenses, in denen auch die Demokratie bedroht ist, so die These dieses Aufsatzes, neigt die Populärkultur, insbesondere das Kino, dazu, in mythischer Weise den klassischen Printjournalismus als letzte Instanz der Verteidigung demokratischer Werte zu beschwören; wohl auch deshalb, weil erstens viele der Drehbuchautoren des klassischen Hollywood ursprünglich aus dem Journalismus kamen, es zweitens eine Parallele gibt zwischen der journalistischen Entstehung einer Story und dem Entwicklungsprozess von der Idee zum Drehbuch und von diesem zum Film, und drittens, weil beide Medien eine Affinität zum detektivischen Narrativ haben. Im Kino, das heute als Postkinematografie2 selbst von einem fortgesetzten Umbruch betroffen ist, findet sich – als ein Symptom der Krise und gleichsam als analoger Schulterschluss mit einem ‹freundlichen› Medium (im Gegensatz zum traditionellen Konkurrenzmedium Fernsehen) – die oft nostalgische Zelebrierung dessen, was gemeinhin als höchste Weihe der Zeitungsmacher gilt: des klassischen investigativen Journalismus. Dessen Status erscheint heute zunehmend prekär, ein Umstand, der in den nachfolgend erwähnten Filmen nicht nur wiederholt thematisiert wird, sondern auch als dramaturgischer Antrieb dient.
‹Democracy Dies in Darkness› ist das Motto der Tageszeitung The Washington Post, das mit seiner klassischen Lichtmetapher der Aufklärung auch als ästhetischer und thematischer Leitspruch von All the President’s Men dienen könnte.3 Der von CNN als «gold standard of journalism movies» titulierte und seinerzeit sowohl kritisch wie kommerziell erfolgreiche Film über die Watergate-Berichterstattung der beiden Washington Post-Reporter Carl Bernstein (Dustin Hoffman) und Bob Woodward (Robert Redford) repräsentiert als Genre-Klassiker das moderne kinematografische Paradigma des investigativen Journalismus zugleich heroisiert und mythisch überhöht.4 Dabei sind die beiden Reporter, bevor sie durch ihre Berichterstattung zu Stars werden, typischerweise sowohl gesellschaftlich als auch zeitungsintern eher von niedrigem Status, Protagonisten, die nach einem langen Hindernislauf der Recherche schliesslich an den Spitzen der Macht Konspiration und Korruption aufdecken.
Adaptiert vom oscarprämierten Drehbuchautor William Goldman, basiert All the President’s Men auf dem gleichnamigen, 1974 veröffentlichten Buch von Bernstein und Woodward (kurz Woodstein genannt), nachdem die Zeitung ein Jahr zuvor den Pulitzer-Preis für ihre Reportage erhalten hatte, die mit insgesamt mehr als vierhundert veröffentlichten Artikeln zum Watergate-Skandal wesentlich dazu beigetragen hatte, dass erstmals in der amerikanischen Geschichte ein Präsident zurücktreten musste.5 Das Verdienst der Washington Post war es vor allem, die kontinuierliche Berichterstattung über Watergate und damit auch das öffentliche Bewusstsein über den sich allmählich ausweitenden Skandal zu einem Zeitpunkt am Leben zu halten, als Nixon auf eine sichere Wiederwahl im November 1972 zusteuerte (und diese mit einem Erdrutschsieg gewann), während andere Zeitungen und das Fernsehen – mit Ausnahme der The Dick Cavett Show – weniger über den Skandal berichteten. Nixon wurde dabei nicht so sehr der dilettantische Einbruch seiner vorwiegend exilkubanischen ‹Klempner› ins demokratische Hauptquartier im Washingtoner Watergate-Gebäudekomplex am 17. Juni 1972 zum Verhängnis, sondern der Versuch, dieses und viele weitergehende, systematische Verbrechen in der Unterwanderung der Demokratischen Partei zu vertuschen – gemäss der Logik, dass erst der Vertuschungsversuch die Tat auch im Register des Symbolischen zum Verbrechen macht.
Bernstein und Woodward spielten 1973, in dem Jahr, in dem die Watergate-Anhörungen im US-Senat praktisch täglich im Fernsehen zu sehen waren und mit immer neuen Enthüllungen aufwarteten, mit der Idee, ein Buch über diesen grössten Politskandal seit Jahrzehnten zu schreiben. Dass jedoch der entscheidende Anstoss sowohl zum Buch wie auch zum Film von Star und Ko-Produzent Robert Redford kam, der die beiden Reporter davon überzeugte, sie sollten als Protagonisten einer Detektivgeschichte in Erscheinung treten, statt nur über den Skandal als Kette von Ereignissen zu schreiben – mit anderen Worten: nicht Watergate und dessen bekanntes Endergebnis, sondern die beiden Reporter und der Prozess der Recherche sollten im Zentrum des Interesses stehen –, ist dabei für die Verquickung von Fakt und Fiktion, Wirklichkeit und Mythos bezeichnend.6 Effektiv wurde das Buch im Hinblick auf seine von Redford versprochene Verfilmung geschrieben. Der Journalismus-Film generell ist primär figuren- und nicht plotgetrieben, was auch bedeutet, dass es ausgeprägte Schauspielerfilme sind, zumal hier die beiden journalistischen Stars Bernstein und Woodward von den Filmstars Hoffman und Redford verkörpert werden. Die vorgesetzten Redaktoren hingegen – damals ausschliesslich männlich – werden primär von gestandenen Charakterdarstellern verkörpert (Jack Warden, Martin Balsam, Jason Robards).
Scheinbar paradoxerweise ist es der in weiten Teilen in visueller Gestaltung (Kamera: Gordon Willis) und Sounddesign fast dokumentarische Charakter des Films, der das fiktionale und mythische Moment nur umso wirkungsvoller macht und nicht zuletzt die Washington Post als Hüterin von Pressefreiheit und Demokratie monumentalisiert. Die Zeitung und der Film haben sich gewissermassen in einer symbiotischen Win-win-Situation verkuppelt und wesentlich zum Mythos Watergate beigetragen, der seither bei fast jedem öffentlichen Skandal in Form des Anhängsels -gate zwecks Bedeutungssteigerung implizit immer mitschwingt. Eine seither durch zahllose Enthüllungen zynisch abgestumpfte kollektive Imagination sehnt sich nostalgisch nach jener symbolischen Urszene zurück, als man noch wirklich schockierbar war.
Wende zum neuen Engagement: Pakulas ‹Mastertext›
Als noch mitten in der Post-Watergate-Atmosphäre situiertes Dokudrama profitierte All the President’s Men von seinem Produktionskontext lebendiger Geschichte, um eine neue Benchmark des Journalismus-Films zu etablieren, insbesondere in seiner tendenziell linkspolitischen Ausrichtung. Was den Film vor allem auszeichnet, ist die detaillierte und geradezu idealtypische Darstellung der Arbeitsmethoden von investigativen Journalisten, die jedoch im Film beruflich so engagiert sind, dass sie kein Privatleben zu haben scheinen respektive ihre Privatsphäre von ihrer Arbeit durchdrungen wird. Man bekommt den Eindruck, dass die beiden Protagonisten nie schlafen. Alle wesentlichen Arbeitsprozesse kommen vor: die vielen Telefonate von der Redaktion aus mit potenziellen Quellen im Bestreben, verifizierte Informationen zu erhalten (mit lediglich Off-Stimmen am andern Ende der Leitung), und die zahlreichen, mitunter chaotischen Notizen als Mindmapping; das beharrliche Verfolgen einer Spur – wie bereits zu Beginn, als Woodward der Vorführung der fünf Watergate-Einbrecher vor dem Richter beiwohnt und sich einem anwesenden noblen Anwalt, der ihn immer wieder abzuwimmeln versucht («I’m not here», sagt er), wie eine Klette anhaftet und ihn nach dem Grund seiner Anwesenheit fragt, obwohl die Verhafteten ihn nicht kontaktiert hätten, er jedoch definitiv zu ihnen in einer Mandatsbeziehung zu stehen scheint. Dazu gehört auch die Diskussion der erlangten Informationen und die gemeinsame Suche nach Zusammenhängen; das kongeniale, wenn auch teils konflikthafte Arbeitsverhältnis der beiden ungleichen Reporter untereinander: Bernstein als getriebener, politisch linker Zeitungsprofi, ständig Zigarette rauchend, als raffinierter Interviewer und besserer Schreiber, der im Sinne des Qualitätskriteriums Genauigkeit und Klarheit Woodwards Texte präzisiert und zuspitzt, der auch immer mal wieder weitreichende, die Handlung vorwärtstreibende Verschwörungshypothesen aufstellt, versus Woodward als ebenso hochmotivierter Zeitungsneuling mit Yale-Abschluss und WASP-Herkunft, politisch Republikaner und Workaholic, der über eine entscheidende Informationsquelle verfügt – Deep Throat – und immer wieder auf harten, überprüften Fakten insistiert; sowie die Beziehung der beiden enthusiastischen, Hypothesen bildenden, vorwärtsdrängenden Protagonisten zu den vorsichtigeren, als Korrektiv wirkenden älteren Redaktoren und insbesondere zum Chefredaktor, der bei aller Kritik letztlich hinter seinen Reportern steht; traditionelles Recherchierhandwerk (‹shoe-leather›): das Klopfen an Haustüren, um mit Leuten zu sprechen, die ihnen oftmals die Türe gerade wieder vor der Nase zuschlagen; die journalistische Tugend, nicht nur einen beharrlichen ‹Killerinstinkt›, sondern auch Stehaufmännchen-Qualitäten zu haben; eine lineare Narration ohne Rückblenden als klassisch realistischer Text ohne romantischen Handlungsstrang gemäss dem kriminalistischen Doppelplot eines Verbrechens und seiner Aufklärung; ein sich schlangenähnlich windender Plot, immer wieder mit Rückschlägen; geheime Treffen mit anonymen Informanten als Subjekte, denen Wissen unterstellt wird, an unheimlichen Orten (in einer Tiefgarage morgens um 2 Uhr), um aus einer Sackgasse in der Recherche wieder herauszufinden; die Tricks, mit denen Befragte teils gegen ihren Willen zum Reden gebracht werden: etwa wie Bernstein eine um die Verwendung der schwarzen Kasse im Weissen Haus wissende Buchhalterin abends bei ihr zu Hause dazu bringt, die Verantwortlichen für die Auszahlung, unter anderem an die Watergate-Einbrecher, zu konkretisieren, indem sie involvierte Personen nicht mit ganzem Namen nennt, sondern nur durch Initialen andeutet; und, eher atypisch für den Journalismus-Film, die eigentliche Schreibarbeit der Zeitungsstorys und wie ein Bericht aufgebaut sein sollte (alle zentralen Informationen sollten im ersten Absatz genannt werden). Dem Thrillermodus gemäss erfahren Woodward und Bernstein schliesslich auch von Deep Throat, dass nicht nur die gesamte ‹intelligence community› in die Vertuschung involviert ist, sondern auch, dass ihr eigenes Leben in Gefahr ist.
Zelebriert Pakulas Film einen Höhepunkt, eine historische Sternstunde des Journalismus, so ist gleichzeitig festzuhalten, dass in den Jahrzehnten seither in Folge der Herausbildung des modernen Mediensystems als Big-Business-Konglomerat von Internet, neuen Medien, Social Media und Gratiszeitungen insbesondere der Printjournalismus sich in einem heftig konkurrierenden, gesättigten Medienmarkt im Zeichen der populistischen ‹Aufmerksamkeitsfalle›7 in einer gravierenden Umbruchs- und Krisenphase mit zahlreichem Zeitungssterben befindet. Immer weniger Zeitungen können es sich erlauben, Ressourcen für kostspielige und zeitaufwendige, oft monate- oder sogar jahrelange investigative Reportagen zur Verfügung zu stellen. Verschärfend hinzu kommt eine politische Aufsplitterung von Gesellschaft und Wissen durch Phänomene, die, insbesondere seit der Präsidentschaft Donald Trumps, mit den Begriffen ‹Fake News›, ‹alternative Fakten› und ‹postfaktisches Zeitalter› assoziiert sind. So sieht sich seriöser Journalismus mit der zunehmenden publizistischen Verbreitung von ungesichertem und ungeprüftem Wissen, etwa in Form von Gerüchten und Meinungen als Blogs, konfrontiert. Es wird immer schwieriger, medienethische Prinzipien einzuhalten. Auch hat sich – in Folge von 9/11, USA Patriot Act und dem Ausbau des ‹national security state› mit der Einschränkung zahlreicher Bürgerrechte – die juristische Situation von Journalisten hinsichtlich des Schutzes anonymer Quellen verschlechtert.8 Explizit thematisiert wird dies im fiktionalisierten politischen Drama Nothing but the Truth (Rod Lurie, US 2008), wo eine Reporterin (Kate Beckinsale), die in Washington D.C. durch ihre Story eine geheime CIA-Agentin enttarnt hat, wegen Nichtnennung ihrer anonymen Quelle zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wird. Anlässlich des 30-Jahr-Jubiläums von All the President’s Men meinte denn auch Redford, der Film erinnere heute vor allem an das, was in journalistischer Hinsicht seither verlorengegangen sei, und habe diesbezüglich einen bedeutenden Bildungswert für die nach Watergate geborenen Generationen.9
In den letzten Jahren sind denn auch eine Reihe von Filmen entstanden, die sich als Hypertexte zu Pakulas Hypotext verhalten, indem sie nicht nur narrative, sondern auch ikonografische und formalästhetische Motive aufgreifen: Insbesondere sind dies State of Play (Kevin MacDonald, US/GB/FR 2009) über den Überwachungsstaat nach 9/11 und die Risiken der Privatisierung von Homeland Security mittels zum Monopol neigenden Söldnerfirmen; die mit dem Oscar für den besten Film ausgezeichnete Produktion Spotlight (Tom McCarthy, US 2015) über die preisgekrönte Berichterstattung des Boston Globe in den Jahren 2002–2003 über systematischen Kindsmissbrauch in der katholischen Kirche und dessen Vertuschung durch die höchsten klerikalen Instanzen; und jüngst The Post (Steven Spielberg, US/GB 2017) – gewissermassen ein Prequel zu All the President’s Men –, in dem es anno 1971 um das konfliktreiche Zusammenspiel von Washington Post-Verlegerin Katharine Graham (Meryl Streep) und Chefredaktor Ben Bradlee (Tom Hanks) angesichts der für die Zeitung höchst riskanten Veröffentlichung der ‹Pentagon Papers› geht, geheimen Dokumenten, aus denen hervorging, dass mehrere US-Administrationen über Jahrzehnte hinweg die Öffentlichkeit über die Führung des Vietnamkriegs belogen hatten und den Umstand, dass der Krieg nicht zu gewinnen sei, systematisch vertuschten. (Dass der Ruhm nicht primär der New York Times gezollt wird, die als Erste einen Teil der Pentagon Papers veröffentlichte, verweist darauf, dass in der filmischen Mythologie die Washington Post als linksliberal-populäre Hüterin der Pressefreiheit figuriert, während die Times als elitär gilt.) Was in The Post im Unterschied zu den anderen Beispielen noch hinzukommt, ist, dass die Pressefreiheit, die selbst regelmässig bedroht scheint (und damit auch die Existenz der jeweiligen Zeitung), hier durch eine noch basalere Instanz, den Obersten Gerichtshof – in einem spannungsvoll an einem einzelnen Telefon der versammelten Zeitungsredaktion erwarteten Mehrheitsentscheid –, garantiert wird und damit der demokratische Vorrang der Informierung der Öffentlichkeit gegenüber angeblichen nationalen Sicherheitsinteressen. Das ist ein nur allzu offensichtlicher Verweis auf unsere jüngere politische Gegenwart, namentlich auf die Bundesgerichtsentscheide als letztes Mittel, um zahlreiche von Donald Trumps umstrittenen präsidentiellen Dekreten zu blockieren.
Verhandlungen journalistischer Qualitätskriterien
Um ihre verfassungsmässig verankerte, demokratische Funktion10 wahrzunehmen, ist die Presse traditionell dazu angehalten, sich an medienethischen Idealen zu orientieren, aus denen Qualitätskriterien für guten Journalismus resultieren: Faktentreue, Unabhängigkeit, Fairness, Menschlichkeit, Verantwortlichkeit. All diese Kriterien werden in All the President’s Men verhandelt und haben eine eminent wichtige dramaturgische Funktion inne, weil sie unmittelbar in Streitgesprächen zwischen zentralem Handlungspersonal, während Redaktionssitzungen oder in der Konfrontation mit offensichtlich lügenden Antagonisten am Telefon immer wieder zu Hindernissen und Konflikten führen. Typischerweise wollen dabei die untergeordneten Reporter in ihrer Ermittlung vorpreschen, werden aber in Situationen, in denen sie ihre neu gewonnenen Informationen den vorgesetzten Redaktoren und dem Chefredaktor präsentieren, immer wieder gebremst im Hinblick auf die Einhaltung von Standards, insbesondere bezüglich der Verlässlichkeit von Quellen und harten Fakten: Wichtige Informationen sollten durch zwei unabhängige und wann immer möglich namentlich zitierbare Quellen bestätigt worden sein. Diese Zusammenfassungen der Erkenntnisse dienen natürlich auch der Orientierung des Zuschauers. Nachdem Woodward ziemlich früh in der Recherche erfahren hat, dass in einem der Adressbücher der Watergate-Einbrecher der Name Howard Hunt in Verbindung mit dem Weissen Haus auftaucht und dieses somit in den Einbruch impliziert scheint, recherchieren die beiden Reporter über Hunt und erfahren, dass er nicht nur jahrzehntelang für die CIA tätig war (unter anderem bei der misslungenen Schweinebucht-Invasion in Kuba 1961), sondern als Angestellter des Weissen Hauses auch wie besessen belastendes Material über den demokratischen Senator Edward Kennedy – einen vormals potenziellen Präsidentschaftskandidaten – sammelte. Obwohl sie in der Library of Congress für die von Hunt angeblich ausgeliehenen Bücher keine Belege finden – letztere scheinen auf Geheiss des Weissen Hauses entfernt worden zu sein –, schreiben sie ihren Artikel. Doch Woodsteins Bericht wird von Chefredaktor Bradlee (Jason Robards) mit dem Rotstift zusammengestrichen: Ihre Quellen seien zu wenig autoritativ, die beiden Reporter hätten die Story nicht und müssten nächstes Mal härtere Fakten liefern. Der Artikel solle irgendwo im mittleren Teil der Zeitung publiziert werden (im Verlauf der Handlung werden Woodsteins Berichte dann immer weiter vorne platziert, auch auf der Titelseite). Auf diesen Rückschlag hin, das Ende des 1. Akts, nimmt Woodward erstmals mit seinem geheimen Informanten Deep Throat11 (Hal Holbrook) Kontakt auf – zunächst in einer öffentlichen Telefonkabine. Die Treffen mit ihm folgen dann einem Muster in bester, hochgradig paranoider Spionage-Manier. Als Informant, der grundsätzlich über das ganze Wissen verfügt, es zum Schutze seiner Identität vor Blossstellung jedoch nur sehr restriktiv nach und nach preisgeben kann, dient er als hermeneutischer Anker des Wissens. Ein solches ‹Subjekt absoluten Wissens›, dessen Wissen jedoch konkreter Beweise benötigt, findet sich regelmässig im Journalismus-Film und auch im Politthriller, beispielsweise in der Figur X (Donald Sutherland) in Oliver Stones JFK (US 1991).
So lernen wir bei Pakula, dass es drei Arten von Quellen gibt: a) solche, die sich namentlich in der Veröffentlichung zitieren lassen (on the record); b) anonyme Quellen, deren Namen den Journalisten bekannt sind, die aber in der Zeitung nur als ‹the sources› zitiert werden; und schliesslich c) Quellen, die so anonym bleiben müssen, dass sie nicht mal als solche erwähnt werden dürfen, sondern als ‹deep background› operieren, wie die in hohen Regierungskreisen vermutete Figur Deep Throat (deren Identität blieb dann auch jahrzehntelang das zentrale Rätsel von Buch und Film, bis sich 2005 Mark Felt, der ehemalige Vizedirektor des FBI, als Woodwards Informant outete12). Einer der Konflikte hinsichtlich der Qualitätssicherung ist der, dass zitierbare Quellen immer bevorzugt werden. Nachdem Bernstein und Woodward nur anonyme Quellen vorzuweisen haben, ruft Bradlee gegenüber den beiden Reportern aus:
Goddammit, when is somebody going to go on the record in this story? You guys are about to write a story that says the former Attorney General [ John Mitchell ], the highest-ranking law enforcement officer in this country, is a crook! Just be sure you’re right.
Vorgesetzte schimpfen immer mal wieder mit ihren Reportern – wie etwa die ständig Kraftausdrücke benutzende Chefredaktorin (Helen Mirren) in State of Play –, unterstützen sie aber schliesslich gleichwohl. Manchmal sind sie sogar die treibende Kraft hinter der Ermittlung oder Publikation, wie in Spotlight oder The Post. Freilich würde investigativer Journalismus ohne anonyme Quellen letztlich nicht funktionieren. Aber auch wenn diese den Journalisten glaubwürdig scheinen, gilt hier die Maxime, dass noch mindestens eine zweite Quelle die Information bestätigen müsste. Die Wahrheit muss dem Leser gegenüber performativ dargelegt werden. Recht haben alleine genügt nicht.
Zum Qualitätskriterium Fairness gehört dann auch das Recht auf Gegendarstellung. Als Bernstein von der Redaktion aus zu später Stunde John Mitchell, den Vorsitzenden des Committee to Re-Elect the President (kurz: CREEP), per Telefon aus dem Schlaf holt und sich pflichtgemäss als Reporter der Washington Post identifiziert, um ihm mitzuteilen, dass die Zeitung am nächsten Tag eine Story über seine Kontrolle der schwarzen Kasse im Weissen Haus bringe, fragt er Mitchell, ob er das seinerseits kommentieren wolle. Woraufhin dieser (im Off) mit Beschimpfungen reagiert, die sich Bernstein wortwörtlich aufschreibt und die somit ihrerseits im Zeitungsbericht zitierbar sind.
Teamarbeit, Dialoglastigkeit, Hektik
Da das effektive Schreiben von Storys ein mitunter langsamer Prozess ist und auch von Denkpausen begleitet sein kann, gibt er aus filmischer Sicht nicht so viel her – mit Ausnahme von Schlagzeilen –, weshalb zwecks Temposteigerung gerne andere dramaturgische Mittel gewählt werden. Journalismus als Teamarbeit: Sofern es sich nicht um ein ganzes Ensemble ohne einzelne Hauptfigur handelt, wie etwa in Spotlight (mit einer ganzen Gruppe an tollen Schauspieler/-innen ), werden oft zwei ungleiche Figuren mit dramaturgischem Reibungspotenzial kombiniert, um die Ermittlung wechselseitig voranzutreiben (wie schon Cary Grant und Rosalind Russell in Howard Hawks’ Screwball-Komödie His Girl Friday [US 1940]), so auch in State of Play, in Entsprechung zu den dargestellten Figuren mit einem gut etablierten Star (Russell Crowe als chaotischer, aber brillanter Journalist) und einem aufstrebenden (Rachel McAdams als propre Bloggerin und ehrgeizige Jungreporterin) respektive mit zwei gestandenen ‹actor stars› (Meryl Streep und Tom Hanks in The Post). Dort hingegen, wo Journalisten als Einzelgänger angesichts übermächtiger antagonistischer Machtstrukturen zunehmend isoliert werden, wie die Warren-Beatty-Figur in The Parallax View (Alan J. Pakula, US 1974) oder die von Jeremy Renner verkörperte Hauptfigur in Kill the Messenger (Michael Cuesta, US 2014), hat dies für die Protagonisten typischerweise fatale Folgen.
Dadurch haben wir in vielen Fällen eine starke Dialoglastigkeit, um sowohl die Recherche als auch die Reportage in konfliktreichen Dialogsituationen zu veräusserlichen. Aufgrund dessen entsteht der Journalismus-Film erst in den frühen Jahren des Tonfilms. Wegen der historisch unterschiedlichen Traditionen der Presse – in Europa zunächst als Verlautbarung der Obrigkeit, in den angelsächsischen Ländern dagegen als kommerzielle, den Herrschenden entgegengesetzte Instanz – handelt es sich dabei, wie eingangs schon erwähnt, um ein vorwiegend amerikanisches Genre, das hinsichtlich des Topos der verbal ausgehandelten Wahrheitsfindung eine gewisse Affinität nicht nur zum Politthriller, sondern auch zum Gerichtsdrama besitzt.
Schon bald setzte der vom Broadway-Theater adaptierte The Front Page (Lewis Milestone, US 1931) mit seinen schnell gesprochenen, einander überlappenden Sätzen und Satzfetzen einen neuen Standard und demonstrierte, dass Tonfilme keineswegs weniger temporeich sein mussten als die vorhergehenden Stummfilme. Zu den ikonografischen Motiven und Topoi, die der frühe Zeitungsfilm für sich etabliert, gehören auch:
Hut im Nacken, Zigarettenstummel im Mundwinkel, Telefonhörer am Ohr, Whiskyflasche in der Nähe. […] Dazu gehört der Notizblock, der Stift (hinterm Ohr oder in der Jacke). Dazu gehört vor allem das nervöse Notieren von diesem und jenem auf fliegenden Blättern oder auf einem kleinen Block. […] Der Notizblock als Sammlung von Indizien, als Spur in die Wirklichkeit, als Material, aus dem die Geschichte, die Erklärung des Geschehens oder auch nur die Schlagzeile wird. Dazu gehört das schnelle Sprechen, das Schwanken des Gesprochenen zwischen gesprochener Sprache und den Stilistiken der Zeitung. Der Dialog ist oft witzig, ungemein schnell, ist sogar als ‹verbaler Slapstick› bezeichnet worden.13
Zur Anmassung des investigativen Journalismus gehört dabei auch, dass er wirkungsvoller ermittelt und aufklärt als die Polizei, wie etwa die Chefredaktorin in State of Play ihren Mitarbeitern gegenüber erklärt.
Ikonografische und stilistische Schlüsselmotive
Zentrales Setting in All the President’s Men ist der hell erleuchtete Newsroom als ‹Oberwelt› und symbolischer Ort der Wahrheitsfindung, ein Grossraumbüro mit Längs- und Querreihen von Schreibtischen und Stühlen in Arbeitsnischen, in den Farben Gelb, Grün, Rot und Blau.14 Im Newsroom herrscht fast immer viel Betrieb, manchmal ausgesprochene Hektik (dagegen vermittelt uns der Zürcher Tages-Anzeiger von seinem nicht ganz so hellen Newsroom das Bild von ruhig, konzentriert und relativ still arbeitenden Journalisten, die auf ihre Monitore schauen).15 Papier als das Leitmedium: Überall stapelt es sich, als gelte es, aus der Überfülle an Informationen die wichtigen und pertinenten herauszusuchen, gleich einer Stecknadel im Heuhaufen. Diese Suche nach der Nadel im Heuhaufen bestimmt denn auch wesentliche Strecken der Detektion bei Pakula, als Bernstein und Woodward der Deep-Throat-Maxime «follow the money» nachgehen, mit einer Liste von Hunderten von Namen auf der Suche nach aussagebereiten Zeugen, die die Verantwortlichen kennen, die im vom Weissen Haus kontrollierten Komitee zur Wiederwahl des Präsidenten Auszahlungen aus einer schwarzen Kasse vorgenommen haben. Die Menge an Zeitungsschnipseln, Notizen und Papierstapeln aller Art findet sich in noch gesteigerter Form in State of Play, dessen Grossraumbüro sich an jenem bei Pakula orientiert. Die Tiefgarage in All the President’s Men, wo sich Woodward insgesamt dreimal mit Deep Throat trifft, ist visuell die Kehrseite, die Unterseite des Newsroom und ‹Hades-Unterwelt›: dunkel, düster, schattenreich, unheimlich, der Ort der Verschwörung, des Geheimnisses, der konspirativen Treffen, der geheimen Informationen. Der ikonografische Topos der Tiefgarage wird dann unter anderem in State of Play wieder aufgegriffen, wo es thrillergerecht zur Konfrontation des ermittelnden Journalisten Cal McAffrey (Russell Crowe) mit dem gedungenen Mörder kommt, die für den Protagonisten jedoch glimpflich ausgeht.
Die Längs- und Querreihen im Newsroom gestatten sodann viele Kamerafahrten, zum Teil rückwärts, insbesondere jedoch laterale, bei denen wir die Protagonisten beispielsweise auf ihrem Weg zum durch Glasscheiben abgeschotteten Büro der Chefredaktion verfolgen. Bei Pakula geschehen diese Fahrten noch auf Schienen, bei Spielberg dann schon mit der noch beweglicheren Steadicam und der Handkamera. Mit steigender Spannungskurve und dramaturgischer Dringlichkeit angesichts immer gravierender Offenbarungen beginnen die Protagonisten als Spielart des Motivs ‹Jagd und Verfolgung› durch den Newsroom zu rennen, verfolgt von beschleunigten ‹tracking shots›. Der von Protagonisten wie etwa in State of Play nach dem Prinzip ‹walking and talking› durchquerte Newsroom ist oft gleich zu Beginn der Ort eines hektischen Treibens, was im Zuge schneller, pointierter Dialogwechsel immer wieder zu komischen Momenten führen kann, wie etwa in der Komödie The Paper (Ron Howard, US 1994). Die Inszenierung des Newsrooms ähnelt in seiner manchmal etwas aufgesetzt wirkenden Hektik insofern der typischen Einführung einer Polizeistation in einschlägigen US-Fernsehserien.
Das effektive Schreiben von Artikeln wird jedoch in den Journalismus-Filmen insgesamt relativ wenig dargestellt oder thematisiert: am meisten noch in All the President’s Men, wo überhaupt die ganzen Arbeitsprozesse umfangreicher und vollständiger gezeigt werden als in anderen Beispielen der Form; manchmal erfolgt die eigentliche Schreibarbeit erst gegen Ende der Handlung (so in State of Play), wo es nur um eine einzige, alle Erkenntnisse zusammenfassende Story geht und nicht um eine ganze Serie von Artikeln und das dann auch völlig unproblematisch erscheint (zusätzlich spielt dort der etwas antiquierte Desktop-Computer, mit dem der Artikel geschrieben wird und um den herum die zentralen Figuren aufmerksam sitzen und der Textentstehung zuschauen, ansonsten eine sehr marginale mediale Funktion); in The Paper werden die Arbeitsprozesse nur untergeordnet gezeigt, weil es in dieser Komödie mehr um zwischenmenschliche Konflikte in und um die Redaktion geht; auch hier jedoch erscheint das Schreiben an sich als weitgehend unproblematisch. Typischerweise befindet sich auch die Zeitungsdruckerei im Untergeschoss desselben Gebäudes, und wenn unten die Druckmaschine läuft, merkt man das in der Redaktion durch ein Vibrieren des Mobiliars (The Paper, The Post). Als Kompensation für die meist weniger ausführlich gezeigten journalistischen Aktivitäten von Telefonaten und Schreibarbeit in den Hypertexten von Pakulas Film darf dafür die charakteristische Hollywood-Montage des Zeitungsdrucks nur selten fehlen, als Zusammenfassung des Weges einer Information – der Wahrheit – an die Öffentlichkeit:16 von der Repro und dem Anfertigen der Druckplatten über die zunehmend schneller rotierenden Druckrollen mit den bedruckten Seiten zu den auf dem Fliessband emittierten Zeitungen, die schliesslich gebündelt und auf Laster geladen werden, die ihrerseits aus dem Untergeschoss des Zeitungsgebäudes herausfahren, um die Zeitungen in alle Welt auszuliefern, wo sie dann starke Auswirkungen zeitigen (The Paper, State of Play, The Post).
Die historische Vergangenheit hat, insbesondere in ihrer imaginär-mythisierten Form, schon immer auch dazu gedient, sich kollektiv zurückzubesinnen, um in Zeiten der akuten Krise Inspiration, Hoffnung und Kraft für deren Lösung zu schöpfen; so auch im Falle der medialen Rückbesinnung. Wurde der Film All the President’s Men durch die unmittelbare reale Vergangenheit und die Zeitungsberichterstattung autorisiert und authentifiziert und war selbst in seinem paranoiden Überschuss Ausdruck einer realen Momentaufnahme des Sozialimaginären, so verhalfen umgekehrt in einer Wechselwirkung die Konventionen des klassisch realistischen Textes dem Tatsachenbericht zu seinem fiktionalen Realitätseindruck. Wie die beiden Hände im Bild von M. C. Escher, die sich gleichzeitig und gegenseitig zeichnen, haben wir hier eine wechselseitige Authentifizierung von Journalismus und Film. Pakulas Film insgesamt wiederum operiert als verankernder Mastertext, der seinerseits die nachfolgenden filmischen Hypertexte und Vorstellungen von journalistischer Qualität über rekurrierende stereotype Storyschemata authentifiziert. Diese mediale Rückbesinnung ist eine der offensichtlich notwendigen Signaturen unserer Zeit.