Auf einer abgelegenen Tabakplantage im Süden Italiens scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Für die Marchesa Alfonsina de Luna arbeitet eine Gruppe von Männern, Frauen und Kindern als deren Leibeigene. Der junge, einfach gestrickte Lazzaro ist in dieser Gruppe das letzte Glied, seine Gutmütigkeit wird schamlos ausgenutzt. Alfonsinas Sohn Tancredi freundet sich mit Lazzaro an und benutzt ihn, um seiner Mutter eins auszuwischen. Seine Aktion bringt die Polizei auf den Plan, die Sklaven werden umgehend befreit. Lazzaro ist allerdings zum Zeitpunkt der Befreiung nicht auf dem Hof. Erst viele Jahre später wird er seine Weggefährten wiedertreffen, auf wundersame Art noch immer als derselbe Lazzaro, der er immer schon war.
Alice Rohrwacher zeigte bereits in Le meraviglie (2014) einen Hang zum Magischen. Kam es aber dort noch in Gestalt einer TV-Sendung daher, präsentiert die italienische Regisseurin in ihrem dritten Spielfilm eine elegante Mischung aus Magie und Realismus. Protagonist von Lazzaro felice ist Lazzaro, der nicht ohne Grund den Namen zweier biblischer Figuren trägt. In einem Gleichnis des Lukasevangeliums ist Lazarus arm und begehrt Zeit seines Lebens nur, was dem reichen Mann von der Tafel fällt. Im Johannesevangelium wird die Geschichte von Lazarus erzählt, der durch Jesus von den Toten erweckt wird. Während die erste Bibelstelle relativ leicht in Lazzaros einfachem Gemüt zu erkennen ist, erschliesst sich der Bezug zur zweiten dem Zuschauer erst im Laufe des Filmes. Lazzaro stürzt einen Abhang hinunter und erwacht erst wieder, als die Gruppe von Leibeigenen längst befreit ist. Die Kinder sind erwachsen geworden und leben in einer Art Shantytown neben den Zuggeleisen mitten in einer Grossstadt. Spätestens in diesen Szenen wird klar, dass Rohrwachers Film kein Märchen ist, auch wenn die stimmigen Bilder von Kamerafrau Hélène Louvart, die Grobkörnigkeit des 16- mm-Films und der Tonfall es bisweilen vermuten lassen. Lazzaro felice ist auch eine klare Gesellschaftskritik. Die Leibeigenen werden zwar befreit, aber nur, um auch in der vermeintlich freien Welt an den äussersten Rand gedrängt zu werden.
Als Lazzaro felice an den Filmfestspielen in Cannes uraufgeführt wurde, wurde ihm mit minutenlangen Standing Ovations Bewunderung gezollt. Alice Rohrwacher wurde bereits als Palmen-Gewinnerin gehandelt. Nicht nur ihr eigenwilliger Umgang mit der Magie überzeugte die Kritiker/-innen, auch ihr herausragendes Talent, Szenen mit vielen Figuren zu inszenieren, die gleichzeitig chaotisch und perfekt orchestriert daherkommen. Rohrwacher verliess Cannes nicht mit leeren Händen, sie wurde mit dem Preis für das Beste Drehbuch ausgezeichnet.