Mit ihren Dienstleistungen vom Kameraverleih bis hin zur Restaurierung spricht Cinegrell ein breites Spektrum an Kunden in der Filmbranche an. Der in Zürich ansässige Dienstleister besteht aus der Cinegrell GmbH und der Cinegrell Postproduction GmbH, tritt am Markt aber geschlossen als Cinegrell auf. Das Team umfasst Kameraleute, Coloristen, VFX-Artisten und Filmtechniker, die sich sowohl in der Produktion von Kino- und TV-Filmen als auch in der Digitalisierung und Restaurierung von historischen Filmen auskennen. Ein zusätzliches Alleinstellungsmerkmal verschafft ihnen die Rolle des einzigen noch aktiven fotochemischen Cine-Filmlabors in der Schweiz. Im Interview mit dem Inhaber Richard Grell stellt die Filmwissenschaftlerin Josephine Diecke verschiedene Fragen nach den Qualitätsansprüchen innerhalb des Unternehmens und in Zusammenarbeit mit den Kunden.
DIECKE: Was bedeutet für dich Qualität in deinem Arbeitsumfeld?
GRELL: Für mich zeigt sich Qualität im allgemeinen Arbeitsumfeld besonders in der persönlichen Zusammenarbeit mit meinen Mitarbeitern: ein gutes Verhältnis, Ehrlichkeit und Freude an einer guten und qualitativ hochwertigen Arbeit. Dazu gehören natürlich auch gut ausgebildetes Personal und gut ausgewählte und optimal zusammenarbeitende Technik. Das sind eigentlich die Begriffe für Qualität im Allgemeinen: das Arbeitsumfeld und -klima. Dass man seinen Möglichkeiten entsprechend das Beste liefert und dass man Spass an der Arbeit hat – so kann man letztendlich auch Qualität herstellen.
DIECKE: Gibt es bei euch Prüfmechanismen für die Qualitätssicherung? Wie schaut ihr, dass alle gut zusammenarbeiten?
GRELL: In dieser Struktur der Zusammenarbeit nicht. Das ist eine interessante Frage, weil wir derzeit daran sind, Strukturen zu verändern und anzupassen. Was wir jetzt einführen werden, sind regelmässige Mittagessen mit den leitenden Stellen. Wir wollen uns einmal bis zweimal im Monat zusammensetzen und uns betriebsübergreifend austauschen, sodass beispielsweise die Abteilung Kameraverleih und die Abteilung Postproduktion einen Austausch pflegen.
DIECKE: Was bedeutet Qualität in den verschiedenen Arbeitsbereichen?
GRELL: In der Produktion beginnt die Qualität natürlich schon beim Angebot und bei der Bearbeitung einer Anfrage. Man muss es so berechnen, wie es dem Kunden dient. Indem man die richtigen Fragen stellt, kann man abklären, welche Anliegen er hat. Des Weiteren muss man das Material bestmöglich analysieren, um dem Kunden ein exaktes Angebot machen zu können. Diese Qualität erfüllen wir eigentlich immer sehr gut, weil unsere Angebote in 90% der Fälle greifen.
Im Projektmanagement bedeutet Qualität, dass die Termine und Planung eingehalten werden, dass man nicht unüberlegte Abläufe macht, sondern Gefahren und Schwierigkeiten erkennt. Am Schluss muss auch für uns etwas Geld übrigbleiben, damit wir weiterexistieren und auch Löhne zahlen können.
Bei der Digitalisierung oder bei der Filmvorbereitung ist darauf zu achten, dass natürlich möglichst behutsam mit dem Filmmaterial umgegangen wird. Die Elemente müssen inspiziert, das Material sachgerecht gereinigt und für die Digitalisierung vorbereitet werden. Dafür braucht es unbedingt Fachpersonal. Eine weitere Qualität ist ausserdem, die Bedürfnisse des Kunden individuell erkennen zu können und ihnen gerecht zu werden.
DIECKE: Ich nehme an, dass sich das bei euch durch alle Bereiche zieht, z. B. auch durch die Postproduktion?
GRELL: Absolut, beispielsweise im Color Grading1. Qualität bedeutet hier ebenfalls, den Zeitplan einzuhalten, aber auch, die Bedürfnisse des Kunden zu erfüllen. Die Cinémathèque suisse möchte beispielsweise möglichst minimalinvasiv restaurieren, das Schweizer Fernsehen bevorzugt hingegen eine High-End-Restaurierung, in der die zur Verfügung stehenden Tools maximal ausgereizt werden. In beiden Fällen gilt es, die Bedürfnisse abdecken zu können. Ausserdem lassen wir eine gewisse Restaurierungsethik walten und beraten den Kunden, wenn er beispielsweise im Begriff ist, einen Fehler zu machen. Dazu zählt, alles viel schöner machen zu wollen, als es effektiv ist.
DIECKE: Bedeutet dies, dass Qualität flexibel ist, weil je nach Situation ihre Kriterien oder Standards verändert werden?
GRELL: Qualität ist in manchen unserer Bereiche nicht messbar und zumeist sehr volatil. Man kann sie mit einem Sterne-Essen vergleichen. Jemand findet es toll und jemand anderes sagt: «Das schmeckt mir nicht, ich habe lieber einen Hamburger von McDonald’s.» Das ist Geschmackssache. Natürlich gibt es messbare und technische Qualität und es gibt Richtlinien, die man einhalten muss, aber letztendlich ist ein Color Grading oder der Grad einer Restaurierung eine Geschmackssache. Man kann alles entfernen, alles glattbügeln und top herrichten, oder man kann es einfach – wie ich vorhin gesagt habe– minimalinvasiv machen. Auch das ist eine Qualität. Letztendlich sind wir ein Dienstleister, der die Kundenwünsche zu erfüllen hat – und das möglichst in der Qualität, die man angeboten und bezahlt bekommt.
DIECKE: Welche analogen Workflows bietet ihr noch an?
GRELL: Wir entwickeln noch analog und wir besitzen analoge Kameras. Ich habe erst kürzlich noch eine Filmkamera gekauft und hoffe, dass sie auch zum Einsatz kommen wird. Es sind hauptsächlich Künstler, die auf Film drehen. Wir haben noch einen Filmemacher, Thomas Imbach, der regelmässig auf Filmmaterial dreht. Sonst gibt es ab und an Dokumentarfilme, die analog gedreht werden, aber das ist relativ selten. Wir entwickeln meistens Material, das mit dem Arrilaser2 ausbelichtet wurde, und haben die Entwicklungsmaschine auch deswegen weiterhin in Betrieb. Das ist ausserdem der Grund dafür, weshalb ich unsere Dienstleistung im Moment auch sehr aktiv im Ausland anzubieten versuche. Wir sind letztendlich neben Andec-Film in Berlin das letzte Kopierwerk im deutschsprachigen Raum. Natürlich gibt es in England, Frankreich und Portugal noch Kopierwerke, allerdings sind wir im deutschsprachigen Raum das letzte Kopierwerk, das einen Spielfilm vollständig bearbeiten kann.
DIECKE: Haben sich vielleicht auch die Ansprüche verändert, seitdem mehr digital produziert wird als analog, d. h. seit eurer Gründung?
GRELL: Ich kenne natürlich die Zeit des analogen Films nicht so gut, weil ich immer in der digitalen Kamerawelt zu Hause war. Ich glaube aber, dass in der digitalen Spielfilmwelt die Qualitätsansprüche verlagert wurden oder sogar zurückgegangen sind. Es ist heute einfacher, digital zu drehen, weil man die Daten am Set sofort kontrollieren kann. Man erhält die genauen Resultate, so werden Pixelfehler, Objektivfehler oder Unschärfen sofort deutlich. Das gab es früher nicht. Die Qualitätskontrolle fand damals im Kopierwerk statt. Darüber hinaus ist es so, dass heute am Set vermutlich insgesamt mehr gedreht wird, indem durch längere Takes das Drehverhältnis steigt. Früher wusste man, wenn die Kamera lief, dass ein Meter pro Sekunde oder Minute so und so teuer ist. Heute ist das nicht mehr so. Man kann die Kamera einfach laufen lassen – damit hat sich die Konzentration verlagert oder sicherlich verändert.
DIECKE: Hattet ihr bereits Produktionen, bei denen es zu Problemen mit euren Qualitätsstandards kam?
GRELL: Im Moment restaurieren wir die beiden Uli-Filme – Uli der Knecht (CH 1954) und Uli der Pächter (CH 1955). Das sind Franz Schnyder Filme, die wir fürs Schweizer Fernsehen restaurieren. Es gibt von einem der Filme zwei Versionen in unterschiedlicher Schnittfassung. Bei einem Vergleich stellten wir fest, dass es extrem viele Unterschiede gibt. Das führte zu einem komplexen, sehr aufwendigen Umschnitt, sodass wir unser Angebot nicht einhalten konnten. Es ist nicht ein Fehler, den wir fabriziert haben, aber wir müssen es mit dem Kunden zusammen überprüfen. Er muss die beiden Schnittlisten bzw. die beiden Versionen vergleichen und entscheiden, woher wir die Elemente für die finale Version nehmen sollen. Es gibt aber auch technische Probleme, das kann ich ganz offen sagen. Beispielsweise mit dem digitalen Cleaning im Bereich der Systemintegration. Wir kämpfen gerade mit unseren Speichersystemen und der Anbindung der Cleaning-Workstation, damit wir einen flüssigen und reibungslosen Ablauf erzielen können. Es werden uns da Steine in den Weg gelegt, dennoch kämpfen wir dafür, dass wir Termine einhalten können, zumal das Projekt einen Sendetermin hat.
DIECKE: Was meinst du konkret mit «Steine in den Weg gelegt»? In Bezug auf die Technik?
GRELL: Genau, technischer Natur. Die Technik funktioniert nicht so, wie wir es eigentlich erwarten. Das ausgebildete Personal ist vorhanden, aber die Technik spielt uns einen Streich, wir kämpfen also mit Problemen, die nicht hausgemacht sind. Es muss dazu gesagt werden, dass es Fremdprobleme sind, die wir zu bewältigen haben. Eine Restaurierung wird meistens in 4K gescannt, verarbeitet und dann als 2K ausgespielt. Es stellt uns schon vor Herausforderungen, nun die gesamte Produktion mit 4K-Daten zu bewältigen. Die Industrie spricht schon von 8K oder mehr, dabei sieht man es gar nicht mehr. Das ist eine schlechte Qualität unserer Industrie, immer nur die Pixel zu zählen, die Debatte um die ‹Ks›.3
DIECKE: Hören die Kunden meistens auf euch?
GRELL: Wenn die Frage aufkommt, was man tun soll, bieten wir einen Test an. Dann sagen wir: «Lass uns einen Test in 2K machen, einen Test in 4K und dann können wir es im Kino parallel und mit Blenden vergleichen – Side by Side –, um herauszufinden, für welches Material sich welche Methode am besten eignet.» Meistens enden wir bei dem, was wir empfohlen haben. Hier geht es aber nicht nur um die Frage, ob 2K oder 4K besser ist. Bei grossen Werken, wie eben den Uli-Filmen, liegt es auf der Hand, so einen Film in der bestmöglichen Qualität für die Zukunft zu sichern. Da testet man erst gar nicht, was besser ist. Dazu kommt, dass einer der Filme durch einen fast durchgehenden Schimmelpilz stark beschädigt wurde. Diesen Film wird man mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht noch einmal restaurieren. Den anderen Film wohl auch nicht, eben wegen des komplexen Umschnitts. Daher macht hier ein vollständiger 4K-Workflow absolut Sinn.
DIECKE: Gibt es auch das umgekehrte Verhältnis, dass ihr empfehlen würdet, eher in 4K zu arbeiten, der Kunde aber in 2K scannen lassen will, gerade bei Spielfilmen?
GRELL: Ja, grundsätzlich finde ich die Empfehlung schon wichtig. Wenn man beispielsweise ein Element heute nochmal hervorholt, es reinigt und digitalisiert, und es ist ein Spielfilm, der bereits vor 10, 20 oder 25 Jahren mit Standard-Definition-Telecines oder -Scannern digitalisiert wurde, dann lohnt sich der Scan in 4K. Im Vergleich zu heute war die Technik damals einfach noch nicht so weit, um die Qualität zu liefern. In dem Fall empfehlen wir, dass der Originalscan möglichst in 4K hergestellt wird und diese Daten dann auch unbearbeitet und unberührt gespeichert und abgelegt werden.
DIECKE: Um ein bisschen von der Diskussion über die Auflösung wegzukommen: Welches, würdest du sagen, sind andere Standards, an denen ihr oder auch die Kunden messen könnt, was zu einer besseren Qualität führen könnte?
GRELL: Ganz sicher die Qualität des Scanners. Dass ein Scanner gewählt wird, der auch effektive 4K liefert und dessen Sensor nicht auf einem Bayer-Pattern4 basiert. Ich persönlich bin der Meinung, dass Bayer-Pattern-Sensoren grundsätzlich die schlechtere Qualität liefern. Die Alternative ist allerdings, dass man langsamer scannt, wenn man mit einer Maschine arbeitet, die Rot, Grün und Blau nacheinander abtastet oder mit einem 3-Zeilen-Scanner5 arbeitet. Dies entspricht zwangsläufig einer langsameren Arbeitsweise. Aber ich bin ein absoluter Verfechter von Nicht-Bayer-Pattern-Sensoren. Das ist für mich ganz klar ein Qualitätskriterium, es gibt massive Unterschiede in der Auswahl des Filmscanners und leider gibt es keinen Universalscanner, der alles bearbeiten könnte. Jeder Scanner hat seine Vor- und Nachteile – da muss man auswählen, was man verwenden möchte. Wir arbeiten mit ARRISCAN und mit Northlight und setzen zudem einen MWA Spinner S ein, weil wir festgestellt haben, dass wir auch etwas Kostengünstigeres anbieten müssen. Gerade diese Matrix aus Qualität, Zeit und Budget versuchen wir mit unseren Maschinen anzuwenden. Es macht keinen Sinn, dass wir eine günstige Abtastung auf einem ARRISCAN anbieten, während ein anderer Kunde ebenfalls für eine Abtastung auf dem ARRISCAN ein Vielfaches davon bezahlen würde. Deswegen können wir wählen. Das ist wie zu sagen: «Ich fahre einen VW Golf oder eine Mercedes S-Klasse.»
Es gibt schnell und billig, schnell und teuer, gut und teuer, aber es gibt nicht alle drei Faktoren zusammen. Du kannst nicht schnell, gut und billig haben. Das verstehen gewisse Kunden leider nur sehr schlecht.
DIECKE: Wie ist da das Verhältnis von Qualität und Quantität? Schliesst sich das aus? Wie würdest du das für eure Arbeit definieren?
GRELL: Das darf sich nicht ausschliessen. Wenn man z. B. einen grossen Massendigitalisierungsauftrag hat, bei dem es darum geht, dass ein grosses Archiv in 16mm und 35mm digitalisiert wird, dann macht man mit dem Kunden vorgängig einen zu erreichenden Qualitätsstandard aus. Wir sind durchaus auch in der Lage, dieselbe Qualität in Massendigitalisierungen und in der Quantität wiederzugeben. Es ist nicht per se so, dass unsere Qualität, je mehr wir verarbeiten, desto schlechter würde. Dafür muss man allerdings genügend Personal haben, damit man eine genügend hohe Durchsatzrate hat. Aber grundsätzlich gilt, ob man ein Einzelprojekt hat oder ein Massenprojekt, die Qualität muss immer entsprechend des Angebots gehalten werden, das der Kunde vorgibt.
DIECKE: Wie ist das Verhältnis von Fernsehaufträgen und Spielfilmen fürs Kino? Gibt es unterschiedliche Herangehensweisen in Bezug auf Qualität?
GRELL: Früher wurde klar zwischen Kinofilm und Fernsehfilm unterschieden. In der modernen Produktion hat es aber teilweise Einzug gehalten, dass man Fernsehfilme mit dem Aufwand eines Kinofilms produziert. Es wird technisch und konzeptionell aufgeblasen, doch das Geld ist nicht vorhanden. Dann ist da wiederum die Ansage, «ihr könnt uns das ja mit eurem Kameraequipment mitliefern». Das hat sich schon etwas geändert. Früher war ein Fernsehfilm einfacher in der Ausstattung, auch in der Postproduktion. Meines Erachtens sind die Ansprüche an einen Fernsehfilm mit dem digitalen Wandel gestiegen. Wir verleihen seit 10 Jahren Kameras in die Spielfilmwelt und seit etwa 3 Jahren merken wir einen markanten Anstieg im Qualitätsanspruch der Kameraleute, die Fernsehfilme gleich wie Kinofilme drehen möchten. Sie orientieren sich am technisch aufwendigen Kinofilm, was natürlich immer mit Kosten verbunden ist. Da sind wir immer im Dilemma mit einem Produzenten oder einem Kameramann, der sich etwas wünscht, das nicht finanzierbar ist oder das genauer abgesprochen werden müsste.
DIECKE: Habt ihr ein direktes Feedback von Fernsehzuschauern und Kinobesuchern und deren Anspruch auf Qualität?
GRELL: Eher weniger. Wir haben das im persönlichen und privaten Umfeld, wenn jemand, der wenig Ahnung hat von Film, sich so einen Film anschaut und sagt: «Wow, das ist super gemacht. Was habt ihr da an Grading und Postproduktion vorgenommen?» Da merke ich, dass viele gar nicht so genau wissen, was wir alles tun. Der Kunde, der Fernseh- oder Kinogänger, sie sehen vielleicht, dass die Produktion speziell ist, aber sie können nicht adressieren, woher es kommt. Ist es die Ausstattung, die Wahl des Objektivs oder die Wahl der Kamera? Das ist wie ein Gericht, das man noch nie gegessen hat und deshalb nicht definieren kann. Genau deswegen ist dieses Essen aber so gut. Das ist genau die Kunst des Kochs und die Kunst des Filmemachers, dass man überrascht wird und etwas wahrnimmt. Es ist ein aussergewöhnlicher Film, wenn man sagen kann: «Ich nehme etwas wahr, das ich nicht erklären kann, aber es ist einfach genial.»
DIECKE: Hast du Beispiele für aktuelle Produktionen, bei denen ihr überrascht wart, dass diese Filme besonders gut oder schlecht ankamen?
GRELL: Eine der grössten Produktionen, bei der wir beteiligt waren, war die Doppelfolge von Gotthard (Urs Egger, CH 2016) zur Eröffnung des Gotthard-Basistunnels. Sie ist von Zodiac Pictures und ich war wirklich überrascht, wie gut sie ankam. Ich habe sie zum ersten Mal in Locarno auf der Grossleinwand gesehen. Dort wurden beide Folgen gezeigt und es war wirklich phänomenal. Die Leute haben applaudiert – das war für uns ein grosser Erfolg, auf den wir sehr stolz sind. Der Erfolg zeigte sich auch in den hohen Einschaltquoten der Fernsehausstrahlung. Beim Kinospielfilm Papa Moll (Manuel Flurin Hendry, CH 2017) überraschte mich der Erfolg ebenfalls.
Wir hatten aber auch eine Produktion auf Film, deren Resultat mehr als ernüchternd war. Bei der Sichtung des Materials vom Dreh bzw. von der Kameraperson hatten wir das Gefühl, dass sie sich nicht gut vorbereitet hatten. Wir freuten uns sehr darüber, dass es auf Film gedreht wurde und haben uns wahnsinnig viel Mühe gegeben. Am Schluss mussten wir es selber graden und dem DOP (Director of Photography) jeweils Stills senden – er hat uns gebeten, alles so zu lassen, wie es war. Das sah allerdings einfach nicht gut aus. Dabei dreht die Person immer auf Film, doch wir hatten das Gefühl, dass sie an dieser Produktion nicht sehr interessiert war. Wir haben dann darunter gelitten, weil wir es anders gegradet hätten. Man hätte beim Dreh auch etwas mehr Licht verwenden können. Es war einfach total körnig und dunkel. Das hätte man lieber digital gedreht. Aber es gibt halt solche Vorkommnisse, bei denen wir am Schluss etwas abliefern und denken, dass es zwar ein toller Film ist, aber schade um den ganzen Aufwand. Aber es gibt sicherlich auch Leute, denen diese Art von Kamera gefällt oder die es überhaupt nicht sehen, weil sie auf die Geschichte achten. In diesem Fall müssen wir uns auch zurücknehmen und es als eine Art der ‹Déformation professionelle› akzeptieren, dass es nicht nur ums Bild, Korn oder um die Schwärzen geht, sondern auch um die gesamte Geschichte, den Ton, das Schauspiel und die Regie. Es geht um das Gesamtkunstwerk, von dem wir ein kleiner Teil sind.
DIECKE: Habt ihr auch Spezialisten für den Ton?
GRELL: Wir selbst haben kein Tonstudio. Wir tasten lediglich die Ton-Elemente oder Lichttonnegative für die Restaurierung ab. Dazu verwenden wir einen Sondor-Resonances6 oder das Standard-Abtastverfahren für separaten Magnetton (sepmag) oder Lichtton. Für die Restaurierung ziehen wir aber immer ein Tonstudio hinzu. Es ist für mich auch eine Qualität, zu wissen, wo die eigenen Grenzen sind. Das bedeutet, man macht nur das, was man wirklich gut kann – sobald man erkennt, dass es die eigenen Fähigkeiten übersteigt, sucht man sich Partner, die es besser können, und arbeitet mit ihnen zusammen.
DIECKE: Noch als Nachfrage zu Gotthard und Papa Moll, die beide Erfolge waren. Meinst du, dass das Publikum sich auch mehr für die Einzelbereiche interessiert hat? Oder war es ein genereller Erfolg? Bekommt ihr beispielsweise Feedback zum poppigen Grading von Papa Moll?
GRELL: Nein, ich glaube, es ist wirklich eher das Gesamtkunstwerk – die Geschichte und wie sie erzählt wird. Es sind natürlich auch zwei Monumentalwerke filmtechnischer Natur. Es handelt sich dabei um Geschichten, die die Schweiz bewegen: Papa Moll kennt jeder meiner Generation und der Gotthard ist natürlich für uns Schweizer ein Nationalsymbol sondergleichen. Der Production Value ist sehr hoch, aber die beiden Produktionen haben es auch verdient. Ich glaube jedoch nicht, dass unsere Arbeit besonders viel dazu beigetragen hat. Sie ist ein solides Handwerk – vergleichbar, wenn man ein Haus baut: Der Regisseur ist der Architekt und der Filmproduzent die Bauleitung. Wir sind dagegen gute Handwerker, die malen, Boden verlegen und das Haus fertigstellen können. In einem gewissen Sinn sind wir auch Künstler, aber ebenso Handwerker und Dienstleister.
Ohne einen guten Regisseur können wir auch keinen guten Film machen; ohne Produzent, der das Geld zusammenträgt, können wir noch so schöne Color Gradings machen, doch es nützt nichts, weil wir keine Aufträge erhalten. Film entsteht nur im Teamwork, und letztendlich kann der fertige Film nur so gut sein wie das schwächste Glied in der Kette.
DIECKE: Wie siehst du die Entwicklungen in Richtung Zukunft?
GRELL: Die Zukunft ist ganz schwierig. Ich merke, dass uns die Schweizer Politik fast nicht unterstützt. Wenn in Projekten Schweizer Geld enthalten ist, dann sollte dieses Geld auch hier in der Schweiz ausgegeben werden müssen. Es ist zwar so, dass es sich dank des stetigen Dialogs mit verschiedenen Schweizer Institutionen etwas verbessert hat, beispielsweise mit der Cinémathèque suisse. Dennoch fliesst immer noch viel Geld ins Ausland. Unsere Zukunft ist nur schon daher schwierig, weil wir stets gezwungen sind, Investitionen zu tätigen, damit wir aktuell im Markt bleiben können. Wir müssen im Bereich Filmvorbereitung, für die Upgrades der Scanner, für die Software und für den gesamten Software- und Hardware-Support Geld investieren. Der gesamte System-Unterhalt birgt enorme Kosten. Wir leben in der Schweiz, wir zahlen Schweizer Löhne, wir haben Schweizer Lebenshaltungskosten, sind aber im Wettbewerb mit ausländischen Anbietern. Da sind wir meistens ca. 30% zu teuer. Wir können eigentlich nur mit dem Qualitätslabel «Switzerland» überleben: schweizerische Zuverlässigkeit, Freundlichkeit, Projektsicherheit etc. Ich glaube, das wird für uns in Zukunft wichtig werden. Aber wenn uns die Politik immer Steine in den Weg legt, dann können wir uns noch so gut aufstellen, gehen aber immer drei Schritte vor und zwei Schritte zurück. Wenn man schon Geld aus Schweizer Kassen erhält, dann soll erwartet werden, dass es auch in der Schweiz ausgegeben wird, und zwar zu wettbewerbsfähigen Preisen. Wir sind in Konkurrenz mit Bologna, mit ARRI Media und anderen Dienstleistern. Ich versuche ganz klar – das ist mein erklärtes Ziel für dieses Jahr – international gesehen zu werden und Aufträge zu akquirieren. Wir müssen uns öffnen. Ich denke sogar darüber nach, im europäischen Raum irgendwo eine Niederlassung zu eröffnen. Wir sind auch seit zwei Jahren Unterstützer der FIAF, gehen regelmässig an die FIAF-Kongresse und stellen dort aus. Gesehen zu werden ist für mich ebenfalls eine Qualität – dafür müssen wir ein Marketing betreiben, das hohen Ansprüchen genügt: Unsere Website soll sich abheben von denen unserer Mitbewerber. Wir achten sehr darauf, dass wir ein gutes Erscheinungsbild haben und so mit dem Label «Switzerland» vielleicht punkten können, das für Zuverlässigkeit, Sicherheit und hohes Qualitätsbewusstsein steht.