DORIS SENN

WOLKENBRUCH (MICHAEL STEINER)

SELECTION CINEMA

«Mottele, wo biste? Ich mach mir Sorgn!» Um ihn dreht sich alles: Mordechai Wolkenbruch, den seine «mame» liebevoll «Mottele» nennt und der als Jüngster der Familie noch studiert, aber bereits in der Firma seines Vaters arbeitet, die er dereinst übernehmen soll. Dem jungen Mann fehlt nur noch eins: eine Braut, «a mejdele». Seine Mame ist umtriebig und organisiert – zum Zweck der Heiratsvermittlung – einen «schidech» nach dem andern. Doch Motti geht das zum einen zu schnell, zum andern hat er sich bereits anderweitig verguckt: in eine Mitstudentin nämlich, die eine – «oj gewald!» – «schickse» ist, also nicht jüdisch …

So nehmen die Dinge ihren turbulenten Lauf in der Verfilmung von Thomas Meyers Erfolgsbuch «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse», das er selbst für den Film adaptierte. Regie führte Michael Steiner, der als Nachwuchstalent seinen Durchbruch mit Mein Name ist Eugen (2005) und Grounding (2006) erlebte, dann mit seinen Folgeproduktionen aber grandios scheiterte (Sennentuntschi, 2010, Das Missen Massaker, 2012). Doch nun ist er zurück und läuft zu alter Form auf. Leichtfüssig inszeniert er die Komödie um Mottele, die in Zürich spielt und einigen urbanen «Hotspots» der jüdischen Community zum cineastischen Auftritt verhilft. Mit viel Augenzwinkern und viel jüdischem Humor gibt Wolkenbruch zudem Einblick in eine selbst für Einheimische verschlossene Bevölkerungsgruppe, wie das bislang erst der zürcherisch-jüdischen Dokumentarfilmregisseurin Gabrielle Antosiewicz mit ihrem amüsanten Matchmaker (2005) gelungen war.

Im hochkarätigen Cast von Wolkenbruch figurieren der Zürcher Shootingstar Joel Basman, der den Motti in einer liebenswerten Mischung aus Schüchternheit und Chuzpe spielt, und die erfolgreiche Walliser Nachwuchsschauspielerin Noémie Schmidt, welche die Schickse Laura mit viel Charme verkörpert. Die österreichische Charakterdarstellerin Inge Maux mimt mit Wucht die etwas überkandidelte Mame Wolkenbruch und Udo Samel den bedächtig-verschmitzten Vater, wie er das schon in der Komödie Alles auf Zucker (2004) von Dani Levy trefflich gemacht hatte.

Bleibt die Frage, wie man ein literarisches Werk angemessen auf die Leinwand überträgt, bei dem, wie die Presse schrieb, «die Sprache selber zum Ereignis wird», ist der Roman doch in einer beschwingten Mischung aus Jiddisch und Deutsch geschrieben, die sich süffig liest und erstaunlich gut verständlich ist. Der Film nun schafft das nicht minder schwungvoll und parliert teils auf reinstem Jiddisch, ohne dass Untertitel zur Verfügung stünden, um uns umso authentischer in den Humor und die Selbstironie der jüdischen Kultur eintauchen zu lassen. Rundum ein Erlebnis!

Doris Senn
Freie Filmjournalistin SVFJ, lebt in Zürich.
(Stand: 2021)
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