Der Schweizer Maler Rudolf Häsler ist eine spannende Hauptfigur für einen Dokumentarfilm: Ist er in der Schweiz ein unentdeckter ‹Rohdiamant›, dessen Werk ein Kunsthändler noch zu Weltruhm führen könnte? Oder hat der Direktor des Interlakner Kunstmuseums recht, wenn er meint: «Er war zur falschen Zeit am falschen Ort. Die Bücher über fotorealistische Künstler sind geschrieben und da steht Häsler nicht drin.» Rudolf Häsler – Odisea de una vida. Ein Interlakner Maler in der Welt des schweizerisch-spanischen Regisseurs Enrique Ros folgt Häslers Spuren nach Spanien und Kuba. Er nutzt viele Quellen: Interviews mit Häslers Bekannten, Frau und Kindern sowie die Biografie und ein Radiointerview des Künstlers, der 1999 verstarb. Auch verwendet Ros spektakuläres historisches Filmmaterial vom Revolutionsbeginn, worin sich vergnügte Touristen mit Guerilleros und deren Gewehren ablichten lassen und die in Havanna einfahrenden Panzer filmen. Der Film macht deutlich, dass wohl Häslers Tätigkeit im Castro-Regime Kubas sowie seine Distanz zur lokalen Kunstwelt für die ausbleibende Anerkennung hierzulande verantwortlich waren. Denn der 1927 in Interlaken geborene Häsler heiratete in Kuba und wurde in der ersten Regierung Fidel Castros Direktor des Instituts für Kunstgewerbe. Nach Che Guevara war er der wichtigste Ausländer im Kabinett. Dieses verleumdete ihn aber kurze Zeit später und drohte ihm in einem Prozess mit der Todesstrafe. Es folgte 1969 die Ausreise ins Franco-Spanien, wo Häsler als Wegbereiter des neuen katalanischen Realismus zu Ruhm gelangte.
Diese Biografie lässt viel Platz für ausufernde Räubergeschichten, die Häsler selbst nicht müde wurde zu erzählen. Ros, der seit 1989 das Thema mit sich herumtrug, bezeichnet im Film Häslers Odyssee in Form des Ich-Erzählers als «höchst spektakuläre Geschichte mit eigentümlicher Mischung aus Abenteuer- und Spionageroman». Dennoch kippt der Film nicht ins Reisserische, höchstens nimmt die Musik stellenweise das Element des Spionageromans spielerisch auf. Kommentarlos werden widersprüchliche Stimmen über die Hauptfigur gezeigt. Von «Bonvivant», «promigeil», «umgänglich», «natürlich» bis «hartnäckig, aufsässig» kommt alles vor. Seine Frau nennt ihn einen «Vielredner», Sohn Alejandro spricht von einer dominanten Vaterfigur: «Wenn dich das Monster nicht auffrisst, dann ist es interessant.» Bis heute leben alle Kinder und die Mutter noch im gemeinsamen Künstlerhaus in Spanien. Odisea de una vida ist eine sorgfältige und gründliche Arbeit, die die Widersprüchlichkeit des verstorbenen Protagonisten akzeptiert, ja zur Tugend gemacht hat. Und es ist der erste Langspielfilm eines Regisseurs, der in Co-Regie mit Norbert Wiedmer die Meister-Odyssee des Berner Fussballvereins YB mitverfolgt hat – eines Regisseurs also, der auszuharren weiss, bis seine Stoffe reif sind.