Lesarten Der gemeinsame Nenner der Filme in der Schweiz ist klein geworden. Eins, um genau zu sein. Noch immer beschäftigen sich zwar alle Schweizer Filmemacher mit der Schweiz. Noch immer formulieren sie ihr gebrochenes Verhältnis zur Heimat. Nur vier Filme, von denen in diesem Heft die Rede ist, machen da eine Ausnahme (L’Alba, Andomia, Révol und Sweet Reading). Der Schweizer Film ist schon eminent schweizerisch. Das gilt nicht mehr unbedingt für die Formen, die jeder einzelne Filmemacher für sich entwickelt hat. Da gibt es Annäherungen an internationale Entwicklungen. Und nicht einmal nur auf der Seite der «kommerziellen» Kino- und Fernsehfilme, sondern auch auf dem Gebiet der schnellen, rücksichtslos subjektiven, rücksichtslos parteiischen Interventionsfilme. Wie reagieren, fragten wir uns, als wir diese Ausgabe von CINEMA entwarfen. Indem wir, jeder für sich, seine Methode von Interpretation (oder Kommentar oder Kritik) durchziehen, in den Hauptbeiträgen. Indem wir schreiben, wie es in unseren durch Konventionen (die wir zum Teil akzeptieren, zum Teil selber geschaffen haben) bestimmten Tages- und Wochenzeitungsartikeln nicht möglich ist. Das war eine der ersten Grundlagen des Konzepts unserer Zeitschrift. Wir haben sie nicht immer so deutlich gemacht wie in dieser Nummer. Wir werden sie in Zukunft vielleicht noch klarer machen können, anlässlich der Filme von Alain Tanner, Francis Reusser und dem neuen (schweizerischen) Film von Claude Goretta vielleicht. Unsere Methoden, die so verschieden sind wie die Filme, werden sich nach Möglichkeit noch genauer artikulieren. Das heisst nicht, dass wir auf thematische Hefte verzichten wollen in Zukunft. Im Gegenteil. Bereits sind zwei in Arbeit. Das eine wird sich mit der Herstellung und Möblierung des Raums durch den Film befassen (ein filmologisches Thema). Und das andere mit jener eindrücklichen Rückkehr in die heimatliche Enge, die der Schweizer Film eben nicht allein angetreten hat (ein politisches Thema). In jenem Heft könnte zum Beispiel auch eine Darstellung des Werks des Griechen Theo Angelopoulos Platz finden. Hans M. Eichenlaub, Jörg Huber, Martin Schaub

CINEMA #27/1
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