Bilderarbeit Das Thema dieser Sammlung von Essays haben wir schon lange gewälzt. Immer wieder tauchte in unseren Aufsätzen der letzten zehn Jahre — so lange schon (oder erst) gibt eine lose Arbeitsgemeinschaft von Schweizer Filmjournalisten die Zeitschrift CINEMA heraus — der Begriff „Bilderarbeit“ auf. Bilderarbeit: Arbeit mit Bildern und Arbeit der Bilder in den Köpfen (und Herzen) der Betrachter. Das Fernsehen und die Dialogfilme, die uns der Schweizer Film — und nicht nur dieser — immer wieder bescherte, liessen es immer dringlicher erscheinen, eine gewisse Klarheit in ein wachsendes Unbehagen zu bringen und es zu artikulieren. „Sieht das Fernsehen?“ lautet der provokative Titel eines unserer kleinen Büchlein (1/80). Das Stichwort „Nullbild“ tauchte in dieser Zeitschrift auf, und wir wissen nicht mehr so genau, ob es Alexander Kluge erfunden hat, oder ob wir darauf gekommen sind. Da gab es auch noch ein älteres Projekt: Walter Binder, früher Fotolehrer an der Kunstgewerbeschule Zürich und damit Anreger einiger Deutschschweizer Filmemacher, dann Sachbearbeiter für Fotografie und Film bei der schweizerischen Kulturstiftung „Pro Helvetia“ und jetzt Direktor und treibende Kraft der „Schweizer Stiftung für die Photographie“, träumte schon Vorjahren von einer Ausstellung und einem Filmprogramm, die die Linie der Fotografen im Schweizer Film nachzeichnen sollten. Wir kombinierten die theoretische Fragestellung mit einer praktischen (historischen). Am Leser zu beurteilen, ob sich dieses Vorgehen gelohnt hat. Ein Letztes noch zu den Präliminarien: In der Zeit, da wir — unzufrieden mit dem Verbalismus, der visuellen Kargheit vieler Filme hier und anderswo, mit der Art, in der das Fernsehen und die Förderungsanstalten auf verbale Formulierungen von Filmprojekten drängten (und aus Bildermachern Schrift- und Bittsteller machten) — unsere Gedanken zum Thema Bilderfilm und Bilderarbeit wältzen, konnte man in der Schweiz und auch im übrigen Europa Versuche von Filmemachern beobachten, sich von den Errungenschaften und den Einschränkungen des cinéma direct zu befreien. Es wurde wieder „stumm“, das heisst nur mit Führungston, gedreht; die Montage wurde nicht mehr durch das Prinzip der plan séquence präjudiziert; die ersten Nachsynchronisationen tauchten wieder auf. Es ist kein Zufall, wenn die vorliegende Essaysammlung mit einem Aufsatz von Marcel Schüpbach, dem Autor von L’Allégement, eröffnet wird. Unser Thema liesse sich von einem einzelnen Theoretiker oder von einer Gruppe, die sich auf gewisse philosophische Ansätze geeinigt und eingeschworen hätte (wie in den siebziger Jahren die französische Gruppe Cinéthique etwa), systematisch behandeln. Eine solche Gruppe sind wir nicht. So bleiben die einzelnen Aufsätze methodisch disparat. Wir denken nicht, dass dies ein Nachteil ist. Alle hier vereinigten Aufsätze sprechen von Bildern, von einzelnen Bildern, von sich folgenden, von Bildern, die zueinander in Beziehung treten und damit Arbeit leisten: Bild für Bild. Den Titel des Buchs hat schliesslich ein Literaturwissenschaftler geprägt. Die im Deutschen vieldeutige Präposition „für“ hat uns gefallen. Schritt für Schritt, Bild für Bild. Und zu dem Motto, das auf der letzten Umschlagsseite steht — Mal vu mal dit — stehen alle, die an diesem Buch mitgearbeitet haben. Ein Filmprogramm sowie eine Foto- und Fotogrammausstellung bereiten wir zur Zeit noch immer vor. Der Bildteil dieses Buchs gibt einen Vorgeschmack davon. Die Bildauswahl der Ausstellung soll viel umfangreicher sein. Als wir das Material sichteten, merkten wir, dass eine Ausstellung nicht nur möglich, sondern einleuchtend ist. Noch fehlen uns die Sponsoren für die Teile zwei und drei des CINEMA Multipacks. Als wir noch auf die Unterstützung durch die schweizerische Filmförderung hofften, haben wir gar von einem Teil vier geträumt, von einem etwa halbstündigen Videotape. Wir haben es vergessen müssen. Aber Ausstellung und Filmprogramm kommen. Lokale Veranstalter können sich bei uns melden. Martin Schaub für die Arbeitsgemeinschaft CINEMA

CINEMA #30
BILD FÜR BILD
EDITORIAL
ESSAY
SELECTION CINEMA
TARZAN TOMBE AMOUREUX (ROBERT MACNAUGHTON, JASMINA MEIRELLES)