Privatsachen Das Kino ist kein von der Wirklichkeit isolierter dunkler Raum mit hellem Fenster, mit dem Eintritt in das Kino meldet man sich nicht für zwei Stunden ab von dem Leben, wie es sonst ist - der Kinobesuch ist ein Zwischenhalt, ein vielleicht nicht ganz alltäglicher, bei dem es ein Vorher und ein Nachher gibt. Der Liebeskummer und die Schwierigkeiten mit dem Chef kann man durch den Kinobesuch höchstens vorübergehend verdrängen, aus der Welt schaffen kann man sie nicht. Zusammenhänge zwischen dem Leben und dem Kino, Leben mit und ohne Kino - davon ist in diesem Heft die Rede. Nicht das Kino steht dabei im Vordergrund, sondern das Leben. Privatsachen, die mit dem Kino etwas zu tun haben und solche, die mit ihm nichts zu tun haben wollen. Sicher, die Frage muss erlaubt sein, ob man Privatsachen dieser Art veröffentlichen soll, ob sie - abgesehen von den paar Wenigen, die wissen, von was und von wem die Rede ist - interessieren. Für uns, die wir hier schreiben, stellt sich diese Frage jedoch nicht, darum nicht, weil wir das Kino (oder das Kinomachen) nicht mehr vom Leben trennen können, und weil wir glauben, dass jeder Kinobesuch eine persönliche Erfahrung unter vielen ist. Bernhard Giger

CINEMA #26/4
LEBEN MIT UND OHNE KINO