Hollywood lässt uns nicht kühl Hollywood in den sechziger und siebziger Jahren - das Heft wollten wir schon lange machen. Dass es bisher nicht dazu gekommen ist und wir stattdessen Hefte herausbrachten zu Themen, die unserer Forderung nach einem Kino entsprachen, das Gefühle nicht ausbeutet, sondern anregt, und unserer Suche nach neuen Produktions- und Vertriebsformen, hat sicher damit zu tun, dass wir als schweizerische Filmkritiker dem neuen Schweizer Film näher standen als der Produktion New Hollywoods - dass wir es wichtig und richtig fanden, die kleinen, unbequemen Filme zu verteidigen gegen die grossen Maschinen (nicht nur) aus Hollywood. Unsere Haltung war vielleicht einseitig - «Ich habe die schmutzigsten kleinen Filme gesehen und die integersten grossen Filme» (Wim Wenders) - aber es war wenigstens eine Haltung, etwas, was wir bei denen immer vermissten, die sich vom Perfektionismus Hollywoods blenden Hessen und es als Miesmacherei empfanden, wenn man auf die Politik dieser «unpolitischen» Filme hinwies. Unser langes Schweigen zu Hollywood bedeutet jedoch nicht, dass uns seine Filme nicht interessieren, nicht berühren. Im Gegenteil, Hollywoods Filme gehören zu denen, die uns am wenigsten kühl lassen. Aber wie sollten wir über Hollywood schreiben, wenn uns von Anfang an klar war, dass wir nicht den richtigen Ton treffen würden, dass unser Blick auf seine Bilder niemals frei wäre von unserem Hass auf die Industrie, die diese Bilder produziert? Wir waren, weil die Interessen der amerikanischen Filmindustrie nicht unsere Interessen waren, befangen, wir gehörten zur Gegenpartei - wir gehören, auch wenn wir jetzt über Hollywood schreiben, noch immer dazu. Das andere Kino, es ist unterdessen keine Neuigkeit mehr, wurde nicht, was man sich von ihm erhoffte, vieles, was noch vor ein paar Jahren im Bereich des Möglichen lag, Hess sich dann doch nicht verwirklichen. Andererseits ist die amerikanische Filmindustrie stark geworden wie kaum zuvor, sie bestimmt heute über das Angebot unserer Kinos in schon fast erschreckendem Masse, nach ihr hat sich der Rest der Branche zu richten. Eine Auseinandersetzung mit ihren Produkten und Geschäften drängt sich darum geradezu auf; der Frage, ob wir uns so sehr getäuscht haben oder ob sich das Publikum täuschen Hess, muss nachgegangen werden. Das vorliegende Heft - wir verstehen es als eine Fortsetzung des letzten, «Gross und klein, La Macchina cinema 1979» - umfasst Skizzen, Beschreibungen, Hypothesen zum neueren Hollywoodfilm, Annäherungen, die zum Teil schon wieder der Versuch sind, Distanz zu schaffen. Das Heft verfolgt keine «Linie», da wird angeklagt und verteidigt, da äussern sich Zorn und Faszination. Hollywood lässt uns wirklich nicht kühl. Bernhard Giger
CINEMA #25/3
HOLLYWOOD UND WIR