Krise der Bundesfilmförderung Ende Juli dieses Jahres hatte die Sektion Film im Eidgenössischen Departement des Innern ihren ganzen Kredit von zwei Millionen Franken bereits ausgegeben. Die im Frühling von den Experten vorgeschlagenen Prämien, Herstellungsbeiträge und Subventionen für filmkulturelle Aktivitäten konnten nicht einmal mehr voll ausbezahlt werden. Die meisten Gesuchsteller mussten sich Abstriche gefallen lassen, und ganz klar war es doch schon im Frühling gewesen, dass nur noch die allernotwendigsten und bestvorbereiteten Gesuche überhaupt eine Chance hatten. Die «Arbeitsgemeinschaft CINEMA» ist mit einem blauen Auge davongekommen. Unsere Subvention für dieses Jahr deckt ungefähr 62 Prozent der Druckkosten (wenn diese nicht noch steigen). Unsere Lausanner Kollegen von «Travelling» hingegen sind ganz leer ausgegangen, gleich wie Peter Ammann und Jürg Hassler (beispielsweise) mit ihren interessanten Dokumentarfilmprojekten. Die Cinémathèque Suisse bekommt weniger als letztes Jahr; das Filmzentrum, dessen Arbeit für den Schweizer Film sonst niemand übernehmen kann, soll sich mit rund 50 000 Franken behelfen. Dazu kommt: Erst ein Drittel der 1974 fertiggestellten Filme ist für die Erlangung einer Qualitätsprämie vorgeführt worden. Die fälligen Prämien werden zu Lasten des Kredits 1975 gehen, gleich wie die Herstellungsbeiträge für 1974 ausgearbeitete Filmprojekte. Die Tatsache, dass wir nicht leer ausgegangen sind, darf uns nicht daran hindern, festzustellen, dass die Bundesfilmförderung in ihre Krise gekommen ist. Dank ihr hatte die Krise im schweizerischen Filmschaffen überwunden werden können. Jetzt, da sich die entdeckten Talente entwickeln und da die bescheidene Infrastruktur arbeiten wollen, verdammt sie ein zu kleines Filmförderungsbudget wieder zur Untätigkeit. Darf ein Filmemacher in der Schweiz nur alle drei bis vier Jahre produzieren? Sollen filmkulturelle Institutionen immer unter dem Damoklesschwert, mit wenig Geld und erst noch in Unsicherheit, arbeiten? Um einen Nachtragskredit für die Filmförderung will die Sektion Film (d. h. Bundesrat Hürlimann) nicht mehr nachsuchen. Das Budget für 1975 droht gleich auszusehen wie jenes von 1973 und 1974 — und wird 25 Prozent weniger wert sein als vor zwei Jahren. Mit zwei Millionen wird es nicht einmal gelingen, die bescheidene schweizerische Film-kultur zu halten, geschweige denn zu entwickeln. Nur schon die fünf Filme, die in CINEMA 3/74 analysiert werden, haben rund eine Million Subventionen verschlungen, und ohne diese Million wären sie nicht zustande gekommen. Der Bund hat 1963 eine Verantwortung übernommen, als er die Filmförderung zur Bundessache gemacht hat. Er muss sie nun auch wahrnehmen, selbst wenn er einen Kilometer weniger Autobahn bauen oder zwei Panzer weniger kaufen kann. Kultur ist kein Luxus, manchmal weniger als Autobahnen und Panzer. Ein Staat, dem seine Kultur nichts wert ist, wird unwohnlicher als einer mit wenig Autobahnen, und er gefährdet sich mindestens ebenso stark wie einer ohne Panzer. Martin Schaub
CINEMA #20/3
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