Ratsch und zisch. Schon brennt das Zündholz. Ein bärtiger Mann zündet sich damit zu Beginn des animierten Kurzfilms Grandpère eine Zigarette an. Es ist Fritz Hürlimann, der Grossvater der Filmemacherin Kathrin Hürlimann, die sich in ihrem Werk an den «alten und ruhigen Mann» aus ihrer Kindheit erinnert, der jedoch durch eine Tat am Samstag, 22. Februar 1969 nationale Berühmtheit erlangte. An diesem Tag legte er Feuer in der Telefonzentrale Hottingen, was zu einer der «grössten Katastrophen in der neueren Zürcher Stadtgeschichte» führte, wie Die Zeit damals schrieb. 30’000 Telefonanschlüsse und 600 Fernschreiber wurden durch den Akt ausser Betrieb gesetzt, der Sachschaden wurde auf mehrere Millionen Franken geschätzt. Bis alle Leitungen wieder repariert waren, dauerte es über einen Monat.
Wie lässt sich dieser Brandanschlag erklären? Diese Frage stellten sich 1969 die Medien und nun auch Kathrin Hürlimann in ihrem Film. Bereits im Anschluss an die Tat stellte sich Fritz Hürlimann der Polizei und erklärte seine Motive. Belastende, miserabel bezahlte Nachteinsätze, unhaltbare Vorwürfe der Vorgesetzten und zuletzt ein junger schnoddriger Monteur, der ihm als Chef vor die Nase gesetzt worden sei, hätten ihm keinen anderen Ausweg mehr gelassen. Die Tat war «ein Vergeltungsakt für erlittene Unbill in seiner Funktion als PTT-Angestellter», wie ihn die Neue Zürcher Zeitung zitierte.
Der Brandstifter hielt seine Gedanken auch in Tagebüchern fest. 2012 stiess die Enkeltochter auf die Notizen und stellt in ihrem Kurzfilm die öffentliche Berichterstattung aus Tagesschau, Tages-Anzeiger und Neuer Zürcher Zeitung den privaten Aufzeichnungen des Grossvaters und ihren eigenen Erinnerungen gegenüber. Sie zeichnet die Ereignisse mit klaren, leicht zittrigen Strichen vor schwarzem Hintergrund. Dabei schöpft sie auch die Möglichkeiten des Animationsfilms voll aus: Männer verschmelzen zu Gitterstäben, die Köpfe von Vorgesetzten verwandeln sich in Schweinegesichter und der junge Vorgesetzte tritt dem Grossvater als Riese auf den Kopf. Kurz dominieren Rot und vor allem Gelb, als der Grossvater den Brand legt. Daneben zeugen Ausschnitte aus Fernsehen und Zeitungen von der Berichterstattung.
Wie schon Anja Kofmel mit Chrigi (CH 2009) zeigt auch Kathrin Hürlimann, dass sich der kurze Animationsfilm hervorragend eignet, um mit der eigenen Biografie verbundene historische Ereignisse eindrucksvoll zu verarbeiten. Dabei zeigt Hürlimann in Grandpère exemplarisch auf, wie erniedrigende Anstellungsverhältnisse zu einer Eskalation führen können. Dadurch ist ihr nicht nur ein kunstvolles, sondern zugleich ein erschütterndes und aktuelles Werk über Belastung durch prekäre Arbeitsbedingungen gelungen.