Nirgends wohnen mehr Menschen als hier. Dharavi hat die höchste Bevölkerungsdichte der Welt: Ein Slum, zwei Quadratkilometer, 800 000 Leute, früher ein Aussenbezirk von Bombay, heute ein Innenbezirk von Mumbai. Hier, in diesem Hubraum des Handels, werden Millionen von Hemden genäht, Millionen von Krügen getöpfert, Millionen von Bändern geflochten. Gemäss einer Statistik befindet sich in jedem Haushalt Europas ein Produkt aus diesem Viertel. Wenn man auf eine der Hütten steigt, sieht man Türme aus Glas und Stahl: Der ärmste und der reichste Teil der Stadt, das Ghetto und das Bankenviertel, liegen unmittelbar nebeneinander.
Dem Architekten Mukesh Mehta ist das ein Dorn im Auge. In den USA hat der Mann Villen errichtet und ist als Gewinner nach Indien zurückgekehrt. Jetzt will er einen Teil Mumbais umbauen: Hütten niederreissen, Parks anlegen, Mietshäuser hochziehen, alles umsonst. Wer mehr als zehn Jahre im Ghetto gelebt hat, erhält eine Wohnung in einem Wolkenkratzer, so der Plan. Die Regierung sichert ihre Unterstützung zu, Beamte mit Vermessungsgeräten tauchen auf, Behörden klopfen an der Tür, Polizisten fragen nach Papieren. In der Bevölkerung regt sich Widerstand, Demonstranten laufen durch die Gassen, Politiker sahnen Wählerstimmen ab, Sozialarbeiter schlagen die Hände über dem Kopf zusammen. Nach einer Abstimmung verschwindet das Projekt von den Reissbrettern. Der Architekt schneidet ein bedenkliches Gesicht und macht sich davon. Der Slum bleibt, wie er ist: Voller Schmutz und Leben, Enge und Kraft.
Aus dieser Geschichte haben Lutz Konermann und Rob Appleby einen mitreissenden Dokumentarfilm gemacht. Setzte sich Konermann letztes Jahr in Der Fürsorger mit einem Hochstapler in der Schweizer High-Society auseinander, liefert er nun ein Werk aus einer der ärmsten Gegenden der Welt. Die Globalisierungsgeschichte zeichnet sich aus durch sein Gespür für Gegensätze und ist schlicht und spannend erzählt, seine Struktur gleicht einem Keil, der sich zwischen die Schichten und Kasten der Bevölkerung von Mumbai geschoben hat. Am Anfang bleiben wir jeweils lange beim Architekten und bei den Slumbewohnern. In der zweiten Hälfte des Films macht Konermann Tempo, spitzt den Konflikt zu, wechselt öfter zwischen den Welten, die sich immer weiter auseinander bewegen. Für die Bewohner des Slums endet die Geschichte glimpflich. Vielleicht müsste man sagen: Sie nimmt nicht die schlimmstmögliche Wendung. Doch dass Dharavi Probleme der Superlative hat, daran ändert auch die abgewendete Katastrophe nichts.