RENÉ MÜLLER

BRUNO MANSER – LAKI PENAN (CHRISTOPH KÜHN)

SELECTION CINEMA

Bruno Manser ist ein Phänomen. Man kennt ihn von seinen spektakulären Aktionen als Regenwaldschützer und Menschenrechtsaktivist. Im Jahr 2000 verschwindet der Schweizer auf einer Expedition im Dschungel Borneos spurlos. Nach mehreren erfolglosen Suchaktionen wird er offiziell für verschollen erklärt.

Der Filmemacher Christoph Kühn ist für seinen Dokumentarfilm Bruno Manser – Laki Penan nach Borneo gereist, um sich auf die letzten Spuren des Vermissten zu begeben. Unaufdringlich nähert sich Kühn dem Volk der Penan, das im malaysischen Bundesstaat Sarawak lebt. Eifrig und respektvoll berichten die Ureinwohner vom beherzten Schweizer mit der runden Brille. Sechs Jahre hat Manser bei den Nomaden verbracht und sich deren Lebensweise angeeignet. Die Penan werden zu seiner zweiten Familie. Doch es ist eine gefährdete Idylle, denn zu jener Zeit beginnt die Rodung des Urwalds, der Lebensgrundlage der Penan. Tief betroffen organisiert Manser mit den Penan Strassenblockaden gegen die rücksichtslose Zerstörung. Der Widerstand bleibt jedoch ohne Erfolg, worauf der Schweizer immer spektakulärere Aktionen wagt. Die malaysische Regierung ist erzürnt und setzt sogar ein Kopfgeld auf den Unruhestifter aus.

Dank einer beachtlichen Fülle an Archivmaterial gelingt es Kühn spielend, den abwesenden Protagonisten aus verschiedensten Perspektiven zu zeigen: Neben Mansers umstrittenen medialen Selbstinszenierungen – wie etwa sein Hungerstreik vor dem Bundeshaus – stehen Amateuraufnahmen, die ihn im Einklang mit dem Dschungelleben zeigen. Geschickt setzt Kühn auch Mansers Tagebücher ein. Die von einer Erzählstimme rezitierten Einträge und die eingeblendeten Zeichnungen aus den Tagebüchern kontrastieren das Bild des verbissenen Aktivisten und zeigen einen sensiblen und ethnologisch interessierten Menschen. Besonders überraschend sind die Einspielungen von Tonbandaufnahmen Mansers, auf denen er seiner Familie in einem merkwürdigen Ton, erschöpft und zivilisationsvergessen, von seinem Alltag mit den Penan berichtet.

Der weisse Mann, der im Dschungel geheimnisvollen Mächten verfällt, ist ein bekannter Topos. Während seiner letzten Aufenthalte auf Borneo entflammt in Manser eine ungeheure naturromantische Faszination, die ihn zu immer waghalsigeren Expeditionen treibt. Wurde Manser also Opfer eigener Vermessenheit? Oder doch von der Tropenholzlobby ausser Gefecht gesetzt? Diese Fragen sucht das unaufdringlich gehaltene Porträt letztlich nicht zu beantworten. Kühns dokumentarische Annäherung steht nicht in der Tradition des offensiv investigativen Dokumentarfilmschaffens, wie es etwa von Nick Broomfield oder Michael Moore praktiziert wird. Der in enger Kooperation mit dem Bruno-Manser-Fonds entstandene Dokumentarfilm zeichnet einerseits das Bild eines romantischen Zivilisationsflüchtlings und Oppositionsführers wider Willen, funktioniert andererseits aber hauptsächlich als Plädoyer gegen die anhaltende Zerstörung des Urwaldes. Dem aufsehenerregenden und beinahe schon zum Mythos gewordenen Schicksal Bruno Mansers bleibt es zu verdanken, dass die Botschaft auch ankommt.

René Müller
*1977, Studium der Filmwissenschaft, Publizistik und Neueren Deutschen Literatur in Zürich und Paris. Er ist beim Migros Museum für Gegenwartskunst für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich. Von 2007 bis 2012 Redaktionsmitglied von CINEMA.
(Stand: 2014)
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