LAURA DANIEL

FROHE OSTERN (ULRICH SCHAFFNER)

SELECTION CINEMA

Thomas und Sophie sind unterwegs zu Thomas’ Eltern, um mit ihnen Ostern zu feiern. Gerade noch sassen sie im Zug und tauschten Kindernamen aus, denn Sophie ist schwanger. Das für das junge Paar freudige Ereignis soll heute den Eltern mitgeteilt werden, die ihre zukünftige Schwiegertochter noch nie gesehen haben. Bei derselben Gelegenheit will Thomas seinen Eltern sagen, dass er sein Studium schmeissen wird. Kaum angekommen, weicht die Vorfreude einer erdrückenden Anspannung. Es ist offensichtlich, dass Thomas unter der Autorität seines Vaters leidet, der von dem Kind nichts wissen will und wesentlich mehr daran interessiert ist, seinen Sohn im Betrieb eines Freundes aus dem Rotary-Club unterzubringen. Einen Praktikumsplatz hat er ihm bereits verschafft, und wenn es nach ihm ginge – und das ging es bisher zweifellos –, würde Thomas schon morgen seine Anwaltskanzlei übernehmen.

Beim erzwungen fröhlichen «Eiertütschen» kommt es zum Eklat: Thomas, der zufällig ein Gespräch seiner Eltern mithört, in dem der Vater von einer Abtreibung spricht, setzt sich endlich zur Wehr. In einer Rede, in der er sich freispricht vom biederen und erdrückenden Mief seines Elternhauses, konfrontiert er seine Eltern zum ersten Mal damit, dass er ihre Lebensplanung nicht übernehmen und weiterführen möchte. Denn für Thomas sind Glück und Zufriedenheit nicht etwas, das sich mit dem Einfamilienhäuschen am See und dem dazugehörigen Bötchen einstellt. Er bringt den Mut auf, für seine eigenen Wünsche und Träume einzustehen, die sich von den Lebensentwürfen seiner Eltern klar unterscheiden – Thomas wird mit einem Schlag erwachsen.

Frohe Ostern wurde als Abschlussfilm an der HGKZ realisiert und für den mit 10'000 Euro dotierten First Steps Award 2005 in der Kategorie «Kurzfilm bis 25 Minuten» nominiert. Ulrich Schaffner gelingt es, mit seinem ersten Kurzspielfilm ein reifes Stück vorzulegen, in dem die Figuren und ihre Geschichte überzeugend und packend inszeniert werden. Bemerkenswert sind auch die schauspielerischen Leistungen, insbesondere die von Dieter Stoll in der Rolle des Vaters und die von Roland Bonjour als Thomas, der während seines Schlussmonologs punkto Intensität durchaus an die Leistung Ulrich Thomsens in Festen (Thomas Vinterberg, DK/SE 1998) anknüpft.

Besonders schön platziert ist das Stück «Fingts Glück eim» von Züri West, das dem Finale dieses kurzen, aber feinen Films als Instant-Euphorie-Verbreiter noch das I-Tüpfelchen aufsetzt.

Laura Daniel
geb. 1978, studiert an der Universität Zürich Germanistik, Film­wissenschaft und Philosophie sowie klassischen Gesang, zeitgenössische Musik und Jazz. Mitglied der CINEM A-Redaktion seit 2002. Lebt in Zürich. Daniel Däuber, geb. 1966, hat in Zürich Filmwissenschaft studiert, u.a. für die Schweizer Filmzeitschriften Zoom und Film geschrieben, arbeitet zurzeit als Filmredaktor beim Schweizer Fernsehen.
(Stand: 2018)
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