Der erste Kinospielfilm des Tessiners Michael Beltrami war 2004 der einzige Schweizer Wettbewerbsbeitrag am Filmfestival in Locarno. In Amerika angesiedelt, wo Beltrami mehrere Jahre lebte und eine Filmschule besuchte, ist Promised Land gleichzeitig ein uramerikanischer Film und eine liebevolle Huldigung ans amerikanische Kino – von einem europäischen Fan. Zwar bleibt der American Dream im Film unerreichbar, doch werden die – oft skurrilen – Figuren so zärtlich gezeichnet, dass dem Film auch keine Blossstellung der USA nachgesagt werden kann. Vielmehr liegt gerade im Absurden, in der ständigen Suche nach Ruhm und Anerkennung, ja in der enormen Selbstüberschätzung das Liebenswerte an Amerika, und am Protagonisten.
Ethan Wildwood sieht sich als Star, auch wenn er seit seiner Kindheit in keinem Film mehr mitgespielt hat. Damals erhielt er eine Oscar-Nominierung für seine Rolle in einem Western, von dem mehrmals Ausschnitte gezeigt werden. Seitdem ist er überzeugt, dass er für den Film geboren ist, doch kaum jemand nimmt den Egomanen mehr wahr. Immerhin sein Auto lässt die Menschen aufblicken: Auf dem Dach prangt sein Name in bewährtem «Hollywood»-Schriftzug, und Porträtfotos von ihm pflastern die Kühlerhaube. Um es in die lokalen Nachrichten zu schaffen, verbrennt er schon mal seinen Wohnwagen – oder geht es ihm tatsächlich um einen Neubeginn? Als ein befreundeter Produzent ihn mit einer Kamera auf die Suche nach «echten Menschen» schickt, beginnt eine Reise nicht nur durch den amerikanischen Weste(r)n, auch der Mensch Ethan schält sich immer mehr unter den Schichten der Selbstdarstellung hervor.
Ihn interessiere die Welt zwischen Realität und Vorstellung, sagt Regisseur Beltrami und lässt Ethan, der selbstbewusst als eigentliches Filmzitat auftritt, Alltägliches (und immer wieder sich selbst) aufzeichnen. Die Wüsteneindrücke und fast surrealen Beobachtungen einsamer Menschen machen einer eigentlichen Geschichte Platz, als Ethan in einem Motel eine Sängerin trifft, die auf der Suche nach ihrer vor zehn Jahren verschollenen Tochter ist, und kurz darauf einem ausgebüxten Mädchen begegnet. Dieses behauptet, ebendiese Tochter zu sein, und gemeinsam versuchen sie, die Sängerin wiederzufinden. Plötzlich interessiert sich Ethan nicht mehr nur für sich selbst; erst durch diese Öffnung kann die eigentliche Reise zu seinem Selbst beginnen. In einem eigentlichen Anfall von Selbstreinigung reisst er seinen Namen vom Auto; er braucht keine Eigenwerbung mehr, da er sein Image ausgetauscht hat gegen eine überfällige Auseinandersetzung mit sich, aber auch mit anderen Menschen. Ohne ins Banale abzurutschen, bedient sich Beltrami der Genreformeln; sein Blick auf den so sonnigen wie vielfältigen Westen der USA mit seinen etwas spleenigen Bewohnern ist stets ein zärtlich neugieriger. Hommage an Western und Roadmovie, zeigt Promised Land liebevoll, wie die Fantasie in der Realität Raum findet und wie durch Imitationen Wahrhaftes entstehen kann. Am Schluss seiner Reise wird Ethan auch ohne Kamera mehr als seine Selbstprojektion sehen.