Der Schweizer Filmemacher Thomas Imbach erkundet in seiner Arbeit die Grenzen zwischen Fiktion und Nichtfiktion, Film und Video, traditionellem Kinohandwerk und dem experimentellen Umgang mit neuen Technologien. Mit den Dokumentarfilmen Well Done (1994) und Ghetto (1997) hat er einen eigenen Stil entwickelt, der schnelle Schnittserien kombiniert mit einer Cinéma-vérité-Kameraführung. Seit Happiness Is a Warm Gun – Variations on a True Story (2001) entwickelt er seine Methoden mit fiktionalen Stoffen und professionellen Schauspielern weiter.
CINEMA: Viele Merkmale, die die Theorie dem Essayfilm zuschreibt, treffen auf deine Filme zu: etwa die Selbstreflexion des Autors, das Einkreisen eines Themas statt seiner expliziten Behandlung, das Verfolgen mehrerer gleichzeitiger Gedankenstränge ... Wie situierst du dein Werk bezüglich des Begriffs «Essayfilm»?
THOMAS IMBACH: Ich gehe an meine Filme nicht mit einem Genrekonzept heran. Deshalb würde ich genauso wenig sagen: «Ich mache einen Essayfilm» wie: «Ich mache einen Spieloder Dokumentarfilm.» Der Begriff «Essay» hingegen ist eine spannende Herausforderung. Er bedeutet für mich, etwas zu wagen, zu erforschen und zu kreieren, statt einfach vorgefertigte Erwartungen oder Konfektionen zu bedienen.
Anders gefragt: Was ist essayistisch an deiner Arbeitsweise?
Ich versuche, einen Film nicht nach einer vorbestimmten Methode zu entwickeln, sondern den Stoff, die Produktionsbedingungen und meine persönliche Situation einfliessen zu lassen. Diese Faktoren ändern sich dauernd, sodass ich jedes Mal wieder bei null beginne. Essayistisch ist daran, dass ich das Filmemachen als einen Prozess begreife, der sich nicht beliebig steuern lässt, sondern selber zu einem «Player» wird. Am Anfang lasse ich mich mit dem Stoff voll laufen und sauge wie ein Vampir alles auf, was dazugehört. Auf dem Dreh versuche ich, einen vorprogrammierten Parcours zu vermeiden. Bei der Arbeit mit den Schauspielern oder Laien will ich den Stoff wieder neu entdecken, ihn zum ersten Mal leibhaftig sehen. Eine Phase mit grosser Auseinandersetzung: Sie wollen alles von mir, ich will alles von ihnen. Die dritte Phase, der Schnitt, ist nochmals eine Neuerfindung des Vorhandenen. Essayistisch arbeiten, bedeutet, immer wieder aufs Sicherheitsnetz zu verzichten und seine Grunddispositionen in Frage zu stellen. Ich kann nur auf diese Art Filme machen, sonst würde ich zu einem Dienstleister.
Essayistisch ist an deinen Filmen auch, dass sie sich nicht auf eine These reduzieren lassen.
Ein Film ist nicht etwas Abgeschlossenes, sondern ein Angebot an die Phantasie der Zuschauer. Er soll wie ein Kind in die Welt entlassen werden, um dann seinen eigenen Weg zu finden; erst mit dem Publikum wird er «erwachsen». Well Done und Ghetto haben zwar einen dokumentarischen Ausgangspunkt, doch wusste ich nicht, wo ich landen würde, es waren Expeditionen. Bei Ghetto habe ich mich beispielsweise nicht von einem soziologischen Blickwinkel auf die Kids leiten lassen, sondern von Situationen, die ich in diesem Alter selbst erlebt habe oder gerade nicht. Auch in der Fiktion geht es nicht primär darum, eine Geschichte zu reproduzieren, sondern die Geschichte(n) erst zu finden, die im Stoff verborgen sind.
Bei deinen Filmen bleiben oft mehr Fragen offen, als Antworten geliefert werden. Gibt es für dich jeweils ein Fazit, oder willst du mit deiner Herangehensweise gerade Fragen aufwerfen?
Das Fazit ist eher das Abenteuer, das ich erlebt habe, das Universum, das sich während des Projekts aufgetan hat. Das Publikum soll die Möglichkeit haben, auf diese Reise mitzukommen. Um Thesen zu verbreiten, braucht es keinen Film; aber ich möchte eine Welt schaffen, in der neue Regeln herrschen. Während der Arbeit an Ghetto zum Beispiel bin ich selber zu einem Kid mutiert. Im Gegensatz zu Well Done, wo ich mit den Firmenangestellten verbindliche Termine vereinbarte, musste ich mit den Teenagern ganz anders arbeiten. Sie waren unzuverlässig und tauchten zu Verabredungen manchmal gar nicht erst auf. Wir hingen also viel herum und schlugen zu, wenn sich die Gelegenheit ergab. Als Erwachsene mussten wir zu den Kids Vertrauen aufbauen. Ich habe zwar ein Casting gemacht, aber es gab einige Figuren, die sich in den Film hineingespielt haben, zum Beispiel der Marroni-Verkäufer.
Wie bist du denn beim Casting vorgegangen?
Bei Ghetto war ich anfangs überzeugt, dass ich den Film in einer raueren Umgebung drehen würde, und es hat mich selbst sehr überrascht, dass ich schliesslich in Meilen, an der Goldküste, gelandet bin. Ich bin deshalb dort geblieben, weil ich im Klassenzimmer sofort Figuren gesehen habe. Die potenziellen Darsteller beflügelten auf Anhieb meine Phantasie.
Mit den Laiendarstellern bin ich jedoch an Grenzen gestossen. Well Done und Ghetto waren zu einem wichtigen Teil auch Geschenke dieser Darsteller, und ich konnte nicht darauf bauen, dass dies immer so weiter funktionieren würde. Laien muss man verführen, ohne dass sie sich selber darüber bewusst werden, und man muss sich ziemlich verstellen, um das Gewünschte zu erhalten. Ich wollte jedoch die Auseinandersetzung mit den Darstellern vor der Kamera nicht verstecken, sondern intensivieren. Das war der logische Schritt zur Arbeit mit Schauspielern.
Es scheint uns aber, dass du bei Happiness Is a Warm Gun – Variations on a True Story bei einer dokumentarischen Herangehensweise geblieben bist. Die Schauspieler improvisieren und veräussern sich – die Kamera ist immer dabei.
Ja, ich wollte bei Happiness Is a Warm Gun nicht einfach das Genre wechseln, sondern die Arbeitsweise der früheren Filme weiterentwickeln. Wir haben die Schauspieler sozusagen am Flughafen ausgesetzt – wie zwei wilde Tiere – und haben sie verfolgt wie in früheren Filme die Banker oder die Kids. Auch vom Schauspieler erwarte ich mehr als von einem Dienstleister, er muss seine Persönlichkeit beim Dreh in die Figur einbringen. Sie kann nicht einfach zu Hause bleiben.
Bei Happiness gehörte es zum Konzept, die Kamera auch vor Beginn und nach Ablauf einer Szene weiterdrehen zu lassen, dranzubleiben, was dann auch Happy Too (2002) provozierte. Der Titel von Happiness Is a Warm Gun stand übrigens von Anfang an fest, hier könnte man sogar sagen, der Titel ist auch die These des Films.
In Happiness Is a Warm Gun und Happy Too geht es eigentlich um Ähnliches – was löst dieser Schuss für Fragen aus? –, wird aber sehr verschieden dargestellt. Ist bei Happiness diese Frage in einer Fiktion angelegt, so verfolgt Happy Too sie mit der Beobachtung, was die Arbeit daran bei den Schauspielern auslöst. Ist das Inszenieren für dich vielleicht eher Teil des Prozesses, ein Thema zu umkreisen, eine Fiktion zu schaffen, als ein Mittel, etwas darzubieten?
Es ist ein Selbstversuch: eine Welt kreieren, in die ich Schauspieler hineinversetze, um die Folgen aus ihnen rauszuholen. Die Figur soll in den Schauspielern wie ein Zustand von Krankheit oder Verliebtheit ausbrechen. Das Inszenieren ist eine Versuchsanordnung: Man zündet bestimmte Zündschnüre an ... und dann staunt man, wies kracht!
In Happiness war die Flughafenwelt wichtig – als wirkliche Welt, aber auch als Ausgangspunkt, um eine Fiktion zu kreieren. Das tue ich gerne: ein dokumentarisches Setting in ein fiktives umpolen, ohne dabei die Spuren dieser Wirklichkeit zu vertuschen. Dahinter steht natürlich auch die Haltung, aus der Not fehlender Produktionsmittel eine Tugend zu machen. Es ist aber auch eine Lust, so zu arbeiten. Mich interessiert es nicht, einem Schauspieler zu sagen, wie er einen Polizisten spielen soll. Ich besetze die Rolle lieber gleich mit einem echten Polizisten, der kann das besser. Die Wirklichkeit ist bei diesen Dingen die beste Ratgeberin.
Deine Dokumentarfilme, wenn man sie denn so nennen will, kreieren mit formalen Mitteln wie dem Schnitt und der Kameraführung eine neue, eigene Welt. Dies grenzt deine Arbeitsweise von jener vieler Schweizer Dokumentarfilmer ab, die sich hauptsächlich auf die Menschen vor der Kamera konzentrieren.
Ich würde dies nicht so stark voneinander abgrenzen. Mich interessiert es zwar tatsächlich wenig, irgendwelche Exoten oder Berühmtheiten auf ein Podest zu stellen. Aber es wäre auch falsch zu sagen, dass mich die Menschen nicht interessierten und dass nur die Struktur zählte. Bei Well Done gehört es natürlich zum Stoff, dass die Figuren wie Räder in einer Modern Times-Maschinerie funktionieren, aber selbst da blitzt ja immer wieder sehr Persönliches auf.
Der Schnitt spielt wahrscheinlich eine aussergewöhnlich grosse Rolle in deinen
Filmen. Wie gehst du an diese Arbeitsphase heran?
Bei Well Done war der Schnitt tatsächlich eine grundlegend neue Entdeckung, obwohl ich von Beginn an wusste, dass ich keine Interviews machen würde und die Leute szenisch porträtieren wollte. Mein Ziel war es, mich mit der kleinen Hi-8-Handycam, die damals ganz neu war, wie eine Sonde in den Büroalltag einzuschleusen. Die Kamera sollte zur Figur werden, die hinschaut und sich bewegt. Aus diesem Grund begann ich auch, mit Jürg Hassler zusammenzuarbeiten, der die Kamera als sensibles Instrument begreift, das auf das Geschehen reagiert. Die Atomisierung dieser Bürowelt evozierte den Schnittstil: die Serialität und die Verdichtungen. Der Schnitt bringt zwar neue Dinge zum Vorschein, kann aber grundsätzlich nichts Neues erzeugen, sondern nur sichtbar machen, was im Material schon angelegt ist. Es geht darum, mit dem Schnitt die adäquate Form für das Material zu finden. Anders gesagt: Man muss genau «hinhören», dann diktiert einem das Material, wie es geschnitten werden will. In Well Done gibt es zum Beispiel die Sequenz, in der eine Lehrtochter bei einem Einarbeitungsgespräch nur immer «Ja» sagt. Die Szene war an sich langweilig, in der Serialität aber widerspiegelt sich die ganze Unsicherheit einer jungen Anfängerin beim Eintritt in diesen Moloch.
Die Darsteller interagieren in deinen Filmen auch oft mit der Kamera. Was bedeutet dies für dich? Ist der direkte Blick in die Kamera auch eine Möglichkeit, die Zuschauer einzubinden?
Mit dem direkten Blick in die Kamera wird vor allem ein Tabu gebrochen. In Ghetto gibt es eine Sequenz, in der die Mädchen über Kino diskutieren und die eine sagt, dass man in einem «richtigen» Film nicht in die Kamera schaue. Dieser direkte Blick hat aber etwas sehr Intimes und Authentisches. Ich lasse das zu, wenn es sich aus dem Spiel und der Situation ergibt. Durch die Präsenz und Bewegungen der Kamera vermittelt sich auch der Autorenstandpunkt. Dies ist eine meiner Vorlieben, aber ich verfolge sie nicht stur. Es gibt ja auch die Tableaus und klassischeren Inszenierungen, in denen die Kamera konventioneller funktioniert und in denen ich auch meiner Lust nachgehen kann, mit Zelluloid zu arbeiten. Wie die Kamera ist zum Beispiel auch die Landschaft eine Figur, die sich in meinen Filmen findet, ohne dass ich dies immer vorausgesehen hätte. Bei Happiness beispielsweise hätte ich nie gedacht, dass die Landschaftsszenerien eine so wichtige Rolle einnehmen würden, doch war es auch einfach Zeit für Petra und Gert und das Team, aus der sterilen Atmosphäre des Flughafens auszubrechen, um Luft zu schnappen.
Die statischen Landschaftsbilder wirken einerseits als beruhigende Gegenschnitte zu den Aufnahmen der hektischen, sehr nahen Handkamera. Andererseits scheint uns auch, dass du mit diesen Bildern deine Figuren verortest.
Es geht darum, einen Raum zu schaffen, der nicht ein naturalistisches Abbild des Raumes ist, in dem die Figuren leben. Bei Ghetto haben mich nicht nur die Kids verführt, sondern auch die wunderschöne Landschaft des Pfannenstiels. Dieses Postkartenidyll hat sich angeboten, um einen Kontrast zu schaffen zum Alltag der Kids. Die Tableaus sollen also nicht nur als Verschnaufpause funktionieren, sondern auch den inneren Lebensraum der Kids suggerieren.
Manchmal benutze ich sie auch als Subjektive, etwa wenn Müke bei der Berufsberaterin davon redet, dass er gerne einmal in den Urwald gehen würde, und man zum Bild einer Terrassensiedlung in der Abendsonne Urwaldgeräusche hört. Es gehört zu unseren Privilegien, in einer Landschaft zu leben, die extrem abwechslungsreich ist. Dies versuche ich in meiner Arbeit fruchtbar zu machen.
Würde sich an deiner Arbeitsweise etwas ändern, wenn du plötzlich alle wünschenswerten Produktionsmittel zur Verfügung hättest?
Das habe ich mich auch schon gefragt. Heute könnte ich mit besseren Produktionsmitteln sicher gelassener und konzentrierter arbeiten. Wir hatten bisher nur für Nano-Babies (1998) eine ausreichende Finanzierung, alle anderen Filme sind massiv unter Budget entstanden. Nano-Babies war als Auftragsfilm fürs Fernsehen zum Jubiläum der Bundesverfassung ein Spezialfall. Ich war wohl anfangs übermütig und habe im Verlauf der Arbeit damit gerungen, zum ersten Mal einen Film zu drehen, den ich nicht aus einem inneren Drang heraus machen musste.
Es gibt Regisseure, die haben eine Phantasie, die sie millimetergenau in Szene setzen möchten; ein Verfahren, das hochgradig industrialisiert ist und in den meisten amerikanischen Filmen angewandt wird. Ich käme schon allein aus produktionellen Gründen nicht auf die Idee, einen solchen Irrsinn zu wagen. Nach einer einzigen Szene wäre das Budget schon alle. Es geht immer darum, mit den vorhandenen Mitteln das Maximum zu erzielen und dabei seine Obsessionen vernünftig zu lenken.
Du vertrittst in deinen Thesen zum Spielfilm (verfasst nach Happiness Is a Warm Gun und zu finden unter «imbach» auf www.happiness-is-a-warmgun.ch/happytoo/main.html, Anm. d. Red.) die unorthodoxe Ansicht, dass Dialoge nicht in Drehbücher gehören und dass man Drehbücher beim Drehen sofort wieder vergessen soll. Wie sehen deine Drehbücher denn aus, und wie reagiert die Filmförderung, die ihr Geld ja aufgrund von Drehbüchern verteilt, auf so offene Projekte?
Nach Restlessness (1991) – meinem ersten Film mit Schauspielern, der kaum finanziert wurde – wusste ich, dass es so nicht mehr weitergehen konnte. Bei Well Done habe ich mich angepasst und eine konventionelle Drehvorlage für einen Dokumentarfilm verfasst. Man hätte allerdings von diesen «Proseminararbeiten», wie ich sie nenne, auch ganz klassische Dokumentarfilme erwarten können. Sobald ich aber wieder anfing, mit Schauspielern zu arbeiten, rutschte ich wieder in die Kategorie Fiktion, und es begann die alte Leier mit der Forderung nach dem Drehbuch. Bei Happiness habe ich mit viel Anstrengung eines geschrieben. Ich fand noch keines meiner Drehbücher gelungen. Sowieso schlafe ich meistens ein, wenn ich Drehbücher – auch gute – lesen muss ... Aber ich werfe mir das natürlich auch immer vor, dass ich es nicht schaffe, für die Förderung «erfolgreiche» Bücher zu verfassen. Bei einem der aktuellen Filmprojekte (I Was a Swiss Banker) haben wir wieder eines geschrieben, das nun der Reihe nach abgeschmettert wird, beim anderen Projekt (Lenz) habe ich mich geweigert. Da ging es einfach nicht. Das Fazit ist, dass ich bisher noch keinen Weg gefunden habe, innerhalb von diesem System überhaupt fiktional arbeiten zu können, da die Drehbuch-Ideologie kaum zu knacken ist. Dieses Klima ist kreativitätshemmend, denn ich glaube nicht daran, dass aufregende Kinofilme ohne Mut und Risiko entstehen können.
Es lässt sich an deinen Filmen ein Prozess verfolgen. Kannst du dir vorstellen, wieder einen dokumentarischen Film mit Laiendarstellern zu machen, oder wäre dies quasi ein Schritt zurück in deiner Entwicklung? Wie verändert sich deine Arbeit mit Schauspielern weiter?
Ich kann mir jederzeit vorstellen, wieder mit Laien zu arbeiten. Ich hätte sogar Lust darauf. Durch die Arbeit mit den Schauspielern hätte ich heute mehr Mut, Laien auch wirklich zu führen. Bei Well Done und Ghetto war ich noch sehr diskret und habe nur mit wenigen Tricks gearbeitet – im Stil von: «Ich habe dich akustisch nicht verstanden. Könntest du dies nochmals wiederholen?» Momentan stecke ich mitten in zwei neuen Projekten, die beide dokumentarische Elemente enthalten, aber eigentlich fiktionale Filme mit professionellen Schauspielern sind.
Der eine Film basiert auf Georg Büchners Lenz, einem Schulstoff, den ich seit zwanzig Jahren mit mir herumtrage. Nach Happiness hatte ich aber spontan das Gefühl, ich müsse mich zuerst mit etwas Aufgestellterem und Leichterem befassen. So ist der zweite Film entstanden: Eine «Hans im Glück»-Geschichte eines jungen Bankers, der mit Schwarzgeld durchbrennt und auf der Flucht vor der Polizei ins Wasser springt, wo er von einer Nixe geküsst wird. Damit beginnt eine märchenhafte Odyssee. Nun bin ich gleichzeitig mit zwei Filmen beschäftigt, bloss entpuppt sich die Komödie, die als kleine Sommerüberraschung geplant war, als Kuckucksei – viel schwieriger als ich je geträumt hätte.
Ein Märchen? Das scheint tatsächlich etwas ganz Anderes zu sein als deine vorangegangenen Filme. Was ist denn konkret schwierig?
Ich mache natürlich kein Märchen, das aussieht wie ein Fantasyfilm. Trotzdem versuche ich, das Genre ernst zu nehmen. Ich möchte die Wundersamkeit des Märchens mit den Mitteln der Poesie erzählen, nicht über Studioeffekte oder die perfekte Simulation einer Märchenwelt. Es ist eine alte Binsenweisheit, dass Komödien das schwierigere Genre sind als Dramen. Ich muss dies jetzt am eigenen Leib erfahren. Es ist wie bei einer Balletttänzerin, die über die Bühne schwebt; tatsächlich steckt eine unendliche Qual dahinter. Das möchte ich hinkriegen: Es muss ein Schmetterlingsfilm werden.
Wie weit denkst du in den verschiedenen Arbeitsphasen schon an das Publikum?
Bevor ein Film fertig ist, denke ich nicht an ein «Zielpublikum». Ich gehe davon aus, dass ich etwas zu sagen habe und die wesentliche Sprache dafür finde. Nach der Fertigstellung stecke ich jedoch viel Energie in die Auswertung und den Vertrieb des Films. Bei Well Done und Ghetto musste ich allerdings lernen, dass diese nicht nur so gut angekommen sind, weil sie als Filme gut sind, sondern weil sie Themen aufgriffen, die in jenem Moment viele Leute interessierten. Bei Happiness hingegen war es ein richtiger Schock, dass er beim Publikum so abgeschifft ist, obwohl die Kritiken international gut waren. Marketing interessiert mich dabei nicht vorrangig, aber ich wünsche mir, dass die Filme einen persönlichen und leibhaftigen Kontakt schaffen zum Publikum, dass sie dich berühren und dir nahe kommen. Ich mache Filme, um eine eigene Sprache zu finden. Dazu gehört mindestens ein Gegenüber. Es ist immer der Wunsch da, das Publikum mitzureissen.