«Maman» hat Geburtstag, und ihr Sohn Jacques gibt sich alle Mühe, ein ruhiges Familienessen mitsamt seiner Frau Madeleine und seinem Bruder Lionel hinzukriegen. Bereits während der Autofahrt nervt Mama ihn; gänzlich verliert Jacques die Nerven, als Lionel sich weigert, ihn zu empfangen, geschweige denn zum Essen mitzukommen.
Schon zu Beginn von Pluss’ mit Handkamera gedrehtem Kurzspielfilm ist die Anlage ungeklärter Familienverhältnisse gegeben. Sie führen dazu, dass sich ein eigentlich unverfängliches Geburtstagsessen in ein emotionales Gewitter entlädt. Wenn die Mutter den rebellischen Lionel, der in einem baufälligen Siebzigerjahre-Hochhaus wohnt und schon am späten Nachmittag angetrunken ist, als ihr ähnlicher bezeichnet - «un peu plus comme moi, un peu plus rêveur» -, reissen bei Jacques, der sich doch immerhin die Mühe gibt, sich um Mama zu kümmern, alte Eifersuchtswunden auf. Er ist in einem Konflikt zwischen Hass und Liebe gefangen, den er schon zu Beginn an Bruders geschlossene Tür schreit: «On t’aime, merde.» Trotzdem lässt sich die Verbundenheit zwischen den Geschwistern nicht wegprügeln; aber sie finden auch keine gemeinsame Sprache ausser der der halb zärtlichen, halb ernst gemeinten Schlägerei.
Die junge Nachbarin, die gedrängt von Lionel Zeugin dieser Szenen wird, bleibt - wie auch Jacques’ Frau - Aussenseiterin, die die Eskalation bloss als unverständlich empfindet und dementsprechend mit hysterischem Lachen reagiert. Diese Hysterie widerspiegelt sowohl die Lächerlichkeit der Situation als auch ihren unterschwelligen Ernst, der die Nachbarin (wie zum Teil auch die Zuschauerinnen) bloss mit einer Gegenreaktion begegnen kann.
Dass Tout est bien dokumentarischen Charakter besitzt, liegt nicht nur am Dogma-Stil - Handkamera, kein künstliches Licht, Einheit von Zeit und Ort -, sondern hauptsächlich an den ausnahmslos hervorragenden Schauspielern, denen viel Impovisationsfreiraum gelassen wurde. An den Kurzfilmtagen in Winterthur 2000 hat Pluss für Tout est bien den Spezialpreis gewonnen, nachdem er im gleichen Jahr in Locarno bereits den Kodakpreis für den besten Schweizer Kurzfilm erhalten hatte.