Georges Mandel war ein Politiker mit Leib und Seele. «Du betrügst mich mit deiner Politik», pflegte seine Frau ihm zu sagen. Er war stolz, konservativ und jüdisch. Ein aufrechter, konsequenter und dadurch für viele unbequemer Zeitgenosse. Einer, der Frankreich bis zum Schluss verteidigte und sich nicht mit den Deutschen arrangieren wollte, als diese 1940 Frankreich überrollten. Er machte sich leichter Feinde als Freunde: «II vit sa solitude comme un programme», ist im Kommentar in der kurzen historischen Einführung durch eine Montage von Wochenschaubildern zu hören.
Claude Goretta realisierte diese filmische Biographie von Georges Mandel für das französische Fernsehen, Den Film baute er strikt chronologisch auf: Mandel wird als Postminister berufen und beginnt das trage Departement zu modernisieren. Er denkt voraus, bewundert technische Innovationen und verachtet die blasierten Bürokraten in der Verwaltung, die er reihenweise entlässt. Im Parlament zeigt er sich als rhetorisch brillanter, streitbarer Gegenspieler des ebenfalls jüdischen Sozialisten Leon Blum. Er wird nicht nur wegen seiner Politik angefeindet - Arbeiter empfangen ihn am Ausgang wütend mit der «Internationalen» -, sondern vor allem als Jude. An einer militärischen Zeremonie sieht er das kommende Unheil Nazideutschlands heraufziehen. Goretta bebildert dies mit Wochenschauen über die Schrecken des Krieges.
Nach dem Fdnmarsch der deutschen Truppen in Paris wird Mandel von Petain verhaftet. Wieder in Freiheit, lehnt er ein Angebot Churchills ab, in London eine Exilregierung zu bilden. Sein Stolz verbietet ihm, das bedrohte Frankreich zu verlassen. Nachdem sein Plan misslingt, von Algier aus zu wirken, wird er erneut verhaftet. Im letzten Sommer des Krieges erschiesst ihn die Vichy-Miliz.
Goretta erzählt ökonomisch und unprätentiös. Er reiht Mandels Lebensstationen zielgerichtet aneinander. Die Kamera erfasst das Geschehen meist in halbnahen, relativ kurzen Einstellungen. Nur selten lockert Goretta seine bildnerische Askese und übernimmt die subjektive Sicht von Mandels Tochter, die mit einem Feldstecher eine parlamentarische Debatte verfolgt oder ein Wandgemälde im Parlament fixiert. Oder er lässt die Kamera einer langen Schlange vor dem Postamt entlang über verhärmte Gesichter gleiten. Die Musik ist zurückhaltend, aber wenig originell als «Gefühlsverstärker» eingesetzt. So hinterlässt der Film trotz durchwegs guten Schauspielleistungen einen wenig inspirierten Eindruck. Zu pädagogisch klar sind die Verhältnisse: hie gut, da böse. Zuwenig werden die existentiellen Dilemmas, denen besonders jüdische Menschen im besetzten Frankreich gegenüberstanden, sichtbar.