Anläßlich der Dreharbeiten zu L'Ukraine à petits pas (1992) deckte Frédéric Gonseth – durch Zufall – eine schreckliche historische Wahrheit auf: Während des Zweiten Weltkriegs waren Ukrainer und Ukrainerinnen deportiert und zur Arbeit in Schweizer Industriebetrieben, namentlich Maggi, Georg Fischer und Alusuisse, gezwungen worden. Der Waadtländer Filmemacher hielt die Augenzeugenberichte derer, die diese Sklavenarbeit überlebten, fest. Noch nach fünfzig Jahren hat sich der Schlund dieser Barbarei in den Augen der Betroffenen nicht geschlossen. Ein Schluchzen unterbricht immer wieder den Erinnerungsfaden. Die Zeugenaussagen sind zwangsläufig erschütternd. Gonseth, der diese bisher verborgene Schandtat nun an die Öffentlichkeit bringt, bezeugt Mühe, die rohen Dokumente ins rechte Licht zu rücken. Er begnügt sich damit, sie aneinanderzureihen, und vergißt, die Beteiligten vorzustellen, sie in Raum und Zeit zu situieren (ein Feldweg und ein nostalgisches Klagelied reichen nicht aus, um die Ukraine lebendig werden zu lassen).
Schwerer aber wiegt, daß Gonseth seinen zeitgeschichtlichen Fund in einer ausgesprochen nichtssagenden Fiktion ertränkt. Auch wenn er betont, daß dies die Bedingung war, um Geld für seinen Film aufzutreiben, fällt es schwer, dies angesichts eines so geistlosen, schlechtgespielten und billig angelegten Plots zu akzeptieren. Ein siebzigjähriger Deutscher (Vernon Dobtcheff), ein fünfzigjähriger Schweizer (Jean-Luc Bideau, dessen Status als Co-Produzent sein unzulängliches Handwerk autorisiert und der platten Banalität seines Spiels, die seit einigen Jahren sein Markenzeichen geworden ist, freien Lauf läßt) und eine zwanzigjährige Ukrainerin treffen zufälligerweise in einer Berghüne aufeinander. Im Zug bedeutungsschwangerer Dialoge geben sie sich ihren Erinnerungen hin und absolvieren ihr Mea culpa. Das Gästebuch der Hütte versetzt dem Schweizer, der sich über jeden Verdacht erhaben glaubte, einen schweren Schlag, enthüllt es doch die Kollaboration seines Papas mit den deutschen Nazis. Dieser hielt sich sogar gleichzeitig mit dem Vater des Deutschen, einem SS-Mitglied, in den Bergen auf! Wutentbrannt macht er seine Uhr kaputt! Und entschwindet nach draußen. Wird er sich in einen Abgrund stürzen, um die Schande, Schweizer zu sein, zu vergessen? Nein, die Ukrainerin holt ihn ein, und ihre Liebe hilft ihm, die bittere Pille zu schlucken. In dem erhabenen Dekor der Alpen und unter dem ergriffenen Blick des Deutschen findet die große Wiedervereinigung der Völker und Generationen statt. »Komm mit mir in die Ukraine!« sagt sie zu ihm voll Leidenschaft.
La montagne muette hätte ein eindrückliches Dokument über ein vergessenes Stück Geschichte werden sollen. Das Resultat ist ein hybrides und schlechtgemachtes Produkt, das auf mehr als groteske Weise der Zerknirschung über die eigene Geschichte Ausdruck verleiht. Es ist aber auch ein Affront gegenüber den befragten UkrainerInnen: Ihre Aussagen verdienen es nicht, mit uninspirierten Kopfgeburten vermischt zu werden.