Die hier ausgewählten drei Bücher über Gruppenarbeit mit Massenmedien spiegeln die Entwicklung der Medienpädagogik während der letzten 15 Jahre: Film ist nach Albrecht noch in erster Linie «gestaltete Wirklichkeit» oder «Kunstwerk»; bei Zöchbauer/Hoekstra dagegen ist Massenkommunikation Teil der «integralen Kommunikation», Medienerziehung ist Kommunikationspädagogik.
Gerd Albrechts1 Methode der Filmanalyse hat seit den frühen 60er Jahren die Gruppenarbeit mit Spielfilmen beeinflusst.
Albrecht Voraussetzungen-: Eine «Filmanalyse kann immer nur zu einem konkreten Zweck, unter einer konkreten Fragestellung in Angriff genommen werden». Film wird primär als «gestaltete Realität» und erst sekundär als «Kommunikativer Prozess» verstanden. Somit geht es Albrecht vor allem um die «Analyse der Gestaltungen» (Bild, Ton, Montage u. s. w.). Dadurch gewinnt man «nachprüfbare Fakten» über den Film, darf jedoch nicht übersehen, «dass man selbst bei der Filmanalyse als Untersuchender, Konstatierender und Deutender von der eigenen geschichtlichen Bedingtheit sich nicht freimachen kann». Gegen diese Einsicht sollen aber die «filmische Funktion», die «filmische Absicht» und «mögliche Wirkungsfaktoren» nur theoretisch erarbeitet werden: Sie werden «nicht aus tatsächlich festgestellten Wirkungen erschlossen», sondern aufgrund von entsprechenden Theorien «in der Filmgestalt aufgefunden». Das Ergebnis ist eine Fülle von Beobachtungen, die zueinander in Beziehung zu setzen sind.
Albrecht konstruiert einen «objektiven», vom Medium distanzierten Betrachter. Denn wichtige soziologische Implikationen werden nur auf einer theoretischen Ebene berücksichtigt:
Es wird ausgeklammert, wie der «konkrete Zweck», die Arbeitshypothesen zu gewinnen sind.
Albrecht lässt offen, wie die persönliche und soziale Bedingtheit des Rezipienten einzubeziehen ist.
Obwohl Film «kommunikativer Prozess» ist, wird die Wechselwirkung zwischen Medium und Rezipient verdrängt und kein Weg zu deren Hinterfragung aufgezeigt.
Es wird letztlich der Anspruch erhoben, einen Film «objektiv» erfassen zu können.
Bernward Wember2 entwickelte seine ideologiekritische Methode 1970/71 am Beispiel eines Dokumentarfilmes. Sie lässt sich jedoch auf jedes Medium anwenden. Die Zielsetzung lautet: «Emanzipation von suggestiven oder manipulativen Medien. Untersuchung unkritisch produzierter oder bewusst manipulativer Medien auf ihre ideologischen Implikationen». Seine Methode, nämlich das Medium in sinnvolle Einheiten zu zerlegen und diese dann zu vergleichen, ist derjenigen von Albrecht noch ähnlich. Folgende Annahmen werden dagegen stark berücksichtigt:
«Die Analyse ist nur von einem reflektierten politischen Standort aus möglich». Arbeitshypothesen, die aus der ersten Wirkung des Firnes und aus der ideologischen Position des Rezipienten hervorgehen, werden anhand der Analyse am Film überprüft.
«Existenz und Struktur der Medien sind abhängig von gesellschaftlichen Interessen», so wie Kommunikatoren immer von Interessen geleitet und gesellschaftlich geprägt sind. Wember überträgt Sigmund Freuds Hinweis auf sprachliche «Fehlleistungen» (in «Psychopathologie des Alltagslebens») auf ähnliche psychologische Zusammenhänge in der «Filmsprache»: «Filmische Fehlleistungen» werden hervorgerufen durch ideologische Wertvorstellungen, die über unbewusste Steuerungsinstanzen auf das Medium einwirken. Formale und ideologische Bedingtheiten schaffen einen «Zwang zur Subjektivität», woraus Wember die Forderung an jeden Kommunikator ableitet, seine ideologische Position im Medium durchschaubar zu machen.
Seit 1971 haben Franz Zöchbauer3, Henk Hoekstraund Karin Zöchbauer Kommunikationswochen veranstaltet. Diese haben zum Ziel, die Rezeption von Massenkommunikation auf einer persönlichen Ebene (intrapersonal) und in Gruppen (interpersonal) verarbeiten zu helfen. Die drei Kommunikationsprozesse: Massenkommunikation, intra- und interpersonale Kommunikation beeinflussen sich gegenseitig («integrale Kommunikation»). Die von Zöchbauer/Hoekstra erfolgreich erprobten Methoden machen die Wirkung eines Mediums auf den einzelnen und auf die Gruppe sichtbar. Gefühle, Identifikationen, Projektionen, ideologische Standpunkte der Gruppenmitglieder sind Gegenstand des Gespräches. Aus dieser Auseinandersetzung entstehen reflektierte Hypothesen, die nach den Methoden von Wember und Altbrecht am Medium zu überprüfen sind. Dabei stehen die gruppendynamischen Prozesse nicht (wie beispielsweise in einem Sensitivity-Training) im Vordergrund, da es der Gruppe ja um ein kritisches Hinterfragen des Filmes selbst geht. Im Gegensatz zu Albrecht beweisen Wember, Zöchbauer und Hoekstra, dass dies nicht möglich ist, ohne die ideologische Position des Rezipienten mit geeigneten Methoden transparent zu machen und miteinzubeziehen.