PETER SCHNEIDER

HUNDERENNEN (BERNARD SAFARIK)

SELECTION CINEMA

Der erste Spielfilm des Exiltschechen Bernard Safarik behandelt auf komödiantische Weise die Integrationsprobleme von tschechischen Flüchtlingen in der Schweiz. Anhand zweier charakterlich ganz gegensätzlicher Hauptfiguren gelangen Extremvarianten des Integrationsverhaltens zur Darstellung: Nichtassimilation und Ueberanpassung.

Der Film setzt ein mit einer Schilderung der Atmosphäre von Einschüchterung und Gewalt in der Tschechoslowakei des Jahres 1968. Der gewiefte Beamte Lapak trägt sich mit Fluchtgedanken und weiss auch auf taktisch geschickte Weise dem Kunstmaler Rek die Bewilligung für einen Auslandsreise zu verschaffen. Nach einem Aufenthalt im Flüchtlingslager in Wien, wo Rek eine Liebschaft mit der Geschichtslehrerin Vera beginnt, entschliessen sich Lapak und Rek zur Weiterreise in die Schweiz. Der Film überspringt mehrere Jahre und stösst wieder auf Lapak, als dieser schon Besitzer eines Schweizerpasses und eines “Drink and Drive”-Unternehmens ist, welches Betrunkene nach Hochzeitsfeiern, Begräbnissen und Festen sicher nach Hause fährt. Rek dagegen ist das gebrannte Kind geblieben, das er in seiner früheren Heimat schon war. Er bringt sich als Hundeporträtist durchs Leben und hat wegen missliebigen Gemälden Schwierigkeiten mit der Polizei und einer Fastnachtsgesellschaft. Rek will im Gegensatz zum jovialen Geschäftsmann Lapak keine Kompromisse eingehen und bezahlt dafür mit einer kargen Existenz.

Der schön fotografierte Film zeichnet zwei gekonnt deutlich voneinander abgesetzte Charaktere mit jener liebenswürdigen Ironie, die durch die Ueberinterpretation der Figuren hindurch doch immer auch noch deren Tragik durchscheinen lässt. Hunderennen berichtet vom egoistischen, konsumgierigen, opportunistischen Verhalten von Exilanten genauso wie von einer Schweiz, die diese Träume weckt und nährt. So halten die Exiltschechen ihrem Gastland einen Spiegel vor, worin sich im Konsumstrom mitschwimmende Eidgenossen ebenso wiedererkennen dürften, wie Aussenseiter, denen sich alles gegen diese ordentliche Einpassung sträubt.

Der dramaturgisch orthodox-eingängig aufgebaute Film lässt ein Personal von einem guten halben Dutzend prägnant charakterisierter Figuren gegeneinander antreten. Hauptsächlich als Komödie interpretiert, findet der Film doch mit der Figur des scheiternden Kunstmalers Rek zu einer überraschenden und einfühlsamen Ernsthaftigkeit. Ihm gehört denn auch das konsequente Schlussbild, während von seinem geschäftstüchtigen Gegenüber vor allem die peinlich selbstgefällige Geschwätzigkeit haften bleibt. Dass bei einigen Statistenrollen die Karikatur laienhaft chargiert wirkt, ist eine Nebenerscheinung dieses Low-Budget Films. Generell aber wissen sich vor allem die tschechischen Schauspieler und Statisten mit unbefangener Leichtigkeit selber aufs Korn zu nehmen.

Peter Schneider
Keine Kurzbio vorhanden.
(Stand: 2020)
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