PETER SCHNEIDER

KILLER AUS FLORIDA (KLAUS SCHAFFHAUSER)

SELECTION CINEMA

Klaus Schaffhauser hat für seinen Film ein authentisches Interview mit einem käuflichen Mörder als Off-Text verwendet. Dieser in Dialogform vorgetragene Text vermittelt den Berufskiller dokumentarisch als einen Menschen, der in völliger Anonymität einer von ihm selber unbekannten Personen in Auftrag gegebenen Arbeit nachgeht, deren einziger Sinn für ihn die Geldbeschaffung sein kann. In Unkenntnis der eigentlichen Absicht der Auftraggeber führt er blind, gehorsam, rücksichtslos und sorgfältig für zwei- bis zehntausend Dollar aus, was ihm aufgegeben ist.

Zu diesem gerade durch seine Nüchternheit provozierenden Dokument hat Schaffhauser eine beinahe wortlose Geschichte inszeniert, die den Mörder bei der Erledigung eines Auftrags in der Schweiz kühl und sachlich beobachtet. Der Mörder hat dieses Land vor Jahren, aus Gründen, die er nicht nennen will, Richtung Deutschland, Frankreich und Florida verlassen. Als unauffällig, gepflegt gekleideter Herr kehrt er für wenige Tage zurück. Der Killer reist mit mehreren Pässen, er wohnt in Hotelzimmern, er fährt jeden Tag einen anderen Wagen der oberen Mittelklasse, er hält sich, wenn er nicht gerade mit der Observation des Opfers beschäftigt ist, mit Laufen und Krafttraining körperlich fit, er kommuniziert anonym mit unbekannten Informanten, er empfängt aus unbekannter Hand die Tatwaffe: Der Killer ist ein Mensch ohne eine persönliche Spur. Eine einzige private Leidenschaft zeichnet ihn als nicht rein funktionales Wesen aus: Er hört Musik.

Während fünf Tagen verfolgt der Mörder sein Opfer, eine Frau. Sie ist Mutter eines Mädchens, scheint in zerrütteter Ehe zu leben, unterhält offenbar eine Liebschaft zu einem jüngeren Mann, streitet sich mit einem Inder: Das ganze Beziehungsnetz bleibt dunkel und rätselhaft. Der Blick des Killers ist stur auf die Ausführung der Tat gerichtet. Die Kamera übernimmt die kühl konstatierende, systematische und zielgerichtete Sehweise. Mit gleichem, alles Unwesentliche sofort elidierendem Mörderblick, schaut sie auf den Killer, ohne ihm effektheischend und dramatisierend zu nahe zu treten. Der Mörder bleibt dem Zuschauer so fremd, wie diesem sein Opfer. Schaffhausers Inszenierung ist analytisch präzis, indem sie die signifikanten Gesten sprechen und - dem Zuschauer zur Interpretation - stehen lässt. Mit einer geschickten elliptischen Montage wird Filmzeit und Spannung, Raum und Anreiz für eine Deutung geschaffen, welche die kriminelle Aktion nicht bloss psychologisierend individualisiert, sondern sie als Extremfall entfremdeten Lebens begreifen kann.

Gedanken- und Gefühlslosigkeit, Anonymität und Beziehungslosigkeit sind nicht individuell handbare und zu beseitigende Nebenerscheinungen der Arbeit des Killers, sondern geradezu objektive Bedingung für eine Existenz, welche sich das Leben verdient, indem sie anderes auslöscht. Die zweckgerichtet kalkulierende, absolut kalte Rationalität des Täters übertrifft sich selbst in der Aeusserung, mit welcher der Killer sein Opfer in die Falle lockt: “In der Toilette ist eine Pistole. ” Dieser Satz, der in seiner tödlich wirkenden Perfidie den Gedanken an eine Poesie des Grauens nahelegt, ist der schauderbare Schlussstrich unter einen Film, der seinen Pessimismus nicht wortreich vorexerziert, sondern ihn provokativ und konkret geschehen lässt.

Peter Schneider
Keine Kurzbio vorhanden.
(Stand: 2020)
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