SONJA WENGER

DAS GEHEIMNIS VON MURK (SABINE BOSS)

SELECTION CINEMA

Im fiktiven Dörfchen Murk, irgendwo im Zürcher Oberland, trifft Allerlei aufeinander: Zwischenmenschliches und allzu Menschliches, eingespielte Lebensmodelle und unerfüllte Lebensträume, Kleingeistiges und Grossspuriges. Hier treffen «linke Aussteiger» auf «konservative Füdlibürger» und ein mystisches Naturphänomen auf beinharten Geschäftssinn. In der neuen Komödie von Regisseurin Sabine Boss (Ernstfall in Havanna, CH 2002) geht es allerdings weniger um harte Gesellschaftskritik. Vielmehr wird dem Publikum liebevoll ein Spiegel vorgehalten. Um dessen Bild auszuhalten, braucht es Humor und Selbstironie, doch wer darüber verfügt, kann den Witz und die heitere Geschichte einfach nur geniessen.

An einem schönen Sommermorgen findet sich im Feld vor dem Haus von Felix (Michael Neuenschwander) und Sarah Gerber (Sabina Schneebeli) plötzlich ein riesiger Kornkreis. Ob von Menschenhand oder von Ausserirdischen gemacht, der Kreis tritt mit aller Wucht eine ganze Kette von Ereignissen los. Erst einmal brodelt es aber gewaltig in der Ehe von Felix und Sarah. Sie hat mehr als genug vom drögen Landleben und wird das Gefühl nicht los, in Murk das Leben zu verpassen. Dass Felix, der idealistische Ingenieur von Öko-Windrädern, sein grosses Projekt in den Sand setzt und das Paar auf einem Schuldenberg sitzt, hilft auch nicht gerade. Durch den Kornkreis gewinnen die ewigen Streiterein aber plötzlich eine ganz andere Dimension. Plötzlich wittert Sarah und mit ihr das halbe Dorf, vom schmierigen Gemeindepräsident Krähenbühl (Michael Finger) bis hin zum wichtigtuerischen Fahrlehrer Mike (Daniel Rohr), das grosse Geschäft. Nur Felix hat vorerst andere Vorstellungen und damit jede Menge Probleme.

Der Regisseurin ist mit Das Geheimnis von Murk mehr als nur eine leichte Komödie für einen verregneten Sommer gelungen. Der Film ist ein wohltuender Beweis dafür, dass Schweizer Humor auch ohne peinliche Witze und krampfhafte Selbstkasteiung auskommen kann. Kameramann Felix von Muralt zeigt zudem souverän, dass tolle Landschaftsbilder kein schwülstiges Pathos brauchen. Eine eingängige Musik, ein rasanter Schnitt und überzeugende Schauspieler verbinden sich zu einem überaus harmonischen Reigen mit provinziellem Charme, schlauen Dialogen und treffenden Pointen. Radiokommentare aus dem Off entschlacken zudem das Geschehen auf der Leinwand und öffnen den Horizont der Geschichte. Mitunter mag zwar der Verdacht aufkommen, dass alles etwas gar zu vorhersehbar ist, ein paar Klischees weniger hätten genügt. Die zwischenzeitlich durchschimmernde Biederkeit mag aber damit erklärt werden, dass der Film ursprünglich fürs Fernsehen produziert wurde. Und gerade das allzu Vertraute macht eben auch einen Teil des Sehvergnügens aus. So kennt wohl jeder die Sorte Mitmenschen, die eigentlich ganz anständig ist, aber plötzlich von blinder Gier getrieben wird und sich gehörig daneben benimmt, wenn es ums Geld geht.

Gerade diese entwaffnende Offenheit der Geschichte hat sicher mit dazu beigetragen, dass Das Geheimnis von Murk an den diesjährigen Solothurner Filmtagen mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde und nicht nur am Fernsehen gezeigt wird, sondern auch im Kino.

Sonja Wenger
*1970, ist Auslandredaktorin bei der Wochenzeitung WOZ und schreibt für das Kulturmagazin Ensuite sowie für das Bieler Tagblatt. Sie ist Gründerin der Zürcher Theatergruppe The Take Five Theatre Company und arbeitet freiberuflich als Übersetzerin, Wissenschaftsredaktorin und Malerin.
(Stand: 2011)
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