Mit seinem Kurzfilm Im Wendekreis des Bären schafft der gebürtige Zürcher Ciril Braem die ebenso humorvolle, wie melancholische Überlagerung der Schicksale des Braunbärs Bruno und eines türkischstämmigen deutschen Arbeitslosen. Oktay Özdemir (Oktay Khan) verliert seinen Job als Chauffeur, als sein Chef herausfindet, dass er keinen Fahrausweis hat.
Seiner toughen Tochter (Malina Schreiber) im Hormonrausch der Pubertät verschweigt er die Arbeitslosigkeit vorläufig tapfer. Und auch für eine neue weibliche Bekanntschaft – seine Frau hat ihn verlassen – gibt er sich heroischer und erfolgreicher, als er es ist. Diese Notlügen werden entlarvt. Das Resultat ist eine Depression, der Özdemir bloss im Schlaf entfliehen kann, wenn er sich in den Pelz von Braunbär Bruno hineinträumt. Dieser hat ja einen Sommer lang als sogenannter Problembär ganz Bayern unsicher gemacht, die Gedanken und Fantasien der Menschen angeregt, und das Sommerloch der Medien gestopft. Für Özdemir, den traurigen Hartz-IV-Bezüger, der sich vor den Frauen in seinem Leben seiner Männlichkeit beraubt sieht, wird Bruno im Traum zur Flucht- und zur urwüchsigen Ermächtigungsfantasie.
Wir sehen in diesen surrealen, archaisch angehauchten nächtlichen Traumsequenzen Özdemir quasi im Bärenkostüm, als verfolgten, missverstandenen Aussenseiter und Einzelgänger, der sich lustvoll an Honigwaben gütlich tut und Schafe reisst. Am Ende ist er aber eingekesselt von Jägern und zum Abschuss freigegeben. Diese fantastische Überlagerung von menschlichem und tierischem Problembär könnte leicht problematisch und pathetisch wirken, wenn Regisseur Braem seine Geschichte nicht mit einem dichten Sicherheitsnetz aus trockenem Humor und menschlicher Glaubwürdigkeit ausgestattet hätte. Insbesondere die Dialoge von Im Wendekreis des Bären sind schnell, witzig, und träf; wobei die manchmal durchschimmernde Kaltschnäuzigkeit immer wieder von grossen Gefühlen übermannt wird. Der Film findet einen eindrücklichen Kontrast zwischen der hektischen Welt des Limousinenfahreralltags – mit Filmleuten auf dem Hintersitz, die wichtigtuerisch vom Dreh labern – und der bleiernen Depression eines ausgemusterten Arbeitslosen in einem Hochhausghetto. Humor und Elend bleiben stets dicht ineinander verwoben, der Film versinkt nie im (Selbst)Mitleid. Und obwohl der gut halbstündige Im Wendekreis des Bären zu den längeren Kurzfilmen zählt, wirkt er kein bisschen langfädig.