«Alles fahrt Schi, alles fahrt Schi» hat Martina Fischbacher früher als Kind mit ihrer Schwester auf dem Skilift gesungen, mit dem Gefühl, dass es überall auf der Welt so aussehe wie im Toggenburg. Dort ist sie aufgewachsen, dort ist ihre Heimat. Mittlerweile lebt sie schon seit zehn Jahren in Zürich. Seit sie das Tal verlassen hat, vermisst sie es. Kaum kehrt sie zurück, beengt es sie. So begibt sich Fischbacher für den Dokumentarfilm Sonnenhalb in das Tal auf Spurensuche nach ihren Wurzeln und begegnet dort den Menschen, die in der Enge und Abgeschiedenheit abseits der hektischen Welt ausharren. Fischbacher trifft auf ihre Eltern und ihre Schwester, auf eine Familie aus Zürich, die vor vielen Jahren eine günstige Wohnung suchte und sie in Ebnat gefunden hat, und auf weitere Talbewohner zwischen Tradition und Moderne. Einen Besuch stattet Fischbacher auch dem SVP-Politiker ab, mit dem das Tal heute häufig in Verbindung gebracht wird. Bei Toni Brunners Buureradio.ch wird die Filmemacherin dann selbst zum Objekt vieler Fragen.
Martina Fischbacher findet ein Tal vor, in dem viele Zeichen auf einen Umbruch hindeuten, wo die Einheimischen den vielen Traditionen teilweise störrisch treu nacheifern. Über die Traditionen definiert sich ein Teil der Talbewohner, und so stossen die Fragen der Regisseurin bei einigen Einheimischen auf nichts als Verwunderung. Das Leben im Tal, der Bezug zur Heimat wird hier nicht hinterfragt.
Fischbachers Dokumentarfilm deckt die Divergenzen in der Selbstwahrnehmung mit viel Gespür für die Eigenheiten des Toggenburgs auf und berücksichtigt dabei auch die Unschärfe des beobachtenden Blicks und der eigenen Gefühle. Diese Reflexionen zeigen auch, wie sich die Schwester der Regisseurin bereits wenige Kilometer von ihrem Eltern- haus entfernt als Fremde in der eigenen Hei- mat fühlt – obschon auch im Toggenburg die Anzeichen der Zentrumskonzentration un- übersehbar sind. Der berührendste Moment folgt zweifellos am Schluss: Fischbacher fragt ihre Schwester, ob sie glücklich sei. Ein beherztes «Ja» gibt diese zurück. Nach einem kurzen Blick folgt die Frage «Wege?», als ob sie sich keine andere Antwort vorstellen könnte.
Es ist nicht weiter überraschend, dass Peter Liechti im Abspann als Mentor aufgeführt wird. Sonnenhalb kann nämlich in direkten Bezug zu Liechtis Wanderfilm Hans im Glück (2003) gesetzt werden. Die Suche nach der eigenen Identität im Wandel der Zeit erweist sich auch in Fischbachers Fall als geeignetes Ausdrucksmittel der filmischen Auseinandersetzung mit der eigenen Person.