Lionel Baier, 1975 in Lausanne geboren, realisierte mit Garçon stupide seinen ersten Spielfilm. Die Kamera folgt dem jungen Protagonisten Loïc, der tagsüber in einer Schokoladenfabrik arbeitet und sich nachts zielund lustlos sexuellen Begegnungen mit Fremden hingibt, nicht nur bis zur Schlafzimmertür. Die expliziten Sexdarstellungen zeigen auf ungeschminkte Weise das krude, mechanische Sexualleben Loïcs. Garçon stupide wurde an zahlreichen internationalen Queer Film Festivals gezeigt und lief in der gesamten Schweiz sowie in Frankreich mit Erfolg.
Bereits 2001 fiel der Autodidakt mit seinem Dokumentarfilm La parade auf. Die Dokumentation schildert den harten Kampf des Organisationskomitees einer schwul-lesbischen Demonstration, der Pride Sion 2001, gegen bockige Behörden und homophobe Organisationen. Zurzeit arbeitet Lionel Baier an der Postproduktion seines zweiten Spielfilms, A l’est (Na Wschod).
Für CINEMA unterhielt sich Francesco Laratta mit dem Westschweizer Autor und Regisseur über explizite Sexszenen im Schweizer Film, den schmalen Grat zwischen Erotik und Pornografie sowie die produktive Prüderie Hollywoods.
Francesco Laratta Die expliziten Sexdarstellungen in Garçon stupide stellen für das helvetische Filmschaffen ein Novum dar. Der Deutschschweizer Presse war es mitunter zu viel.
Lionel Baier In Frankreich geht man mit Sexualität im Film eindeutig lockerer um. So wurde Garçon stupide in der Schweiz ab 18, in Frankreich bereits ab 16 Jahren freigegeben. Kein französisches Blatt hat sich länger mit den Sexszenen auseinander gesetzt, sie wurden nicht einmal erwähnt. Die Sexszenen waren höchstens in der Regionalpresse ein Thema.
In der Westschweizer Presse hingegen hat man sich über die Sexszenen sogar geärgert. Wir Schweizer mögen es, Bilder aus der ganzen Welt vorgeführt zu bekommen. Zeigt man aber eigene Bilder, so wird es für viele schnell problematisch. Die Westschweiz ist nämlich klein, und man kennt sich.
FL Garçon stupide lief an zahlreichen Queer Film Festivals. Wie reagierte denn das schwul-lesbische Publikum auf diese Sexszenen?
LB In gewissen Kreisen stiessen sie auf Unverständnis. Mir wurde gesagt, ich dürfe dies nicht zeigen. Man wolle nämlich integriert sein, verpartnert, verheiratet und auch so wahrgenommen werden. Ich verstehe nicht, weshalb ich keinen Sex zeigen soll. Es sind einfach Bilder gelebter Sexualität. Besonders problematisch entpuppte sich in Frankreich die Verknüpfung der Sexdarstellungen mit der aktuellen Diskussion um die Adoptionsfrage. Die Debatte wurde teilweise sehr aggressiv geführt.
Für mich bedeutete eine solche Argumentationsweise, dass man sich für die Integration verleugnen muss. Das widert mich an. Ich bin nämlich genauso stolz auf die verheirateten Schwulen mit Kindern wie auf jene, die im Park eine schnelle Nummer schieben.
FL Wieso hast du dich für eine solch drastische Bildsprache entschieden?
LB Der Hauptdarsteller wird auf eine sehr realistische Weise dargestellt, fast wie in einem Dokumentarfilm. Hätte man die Sexszenen auf Symbole reduziert, auf eine reine Metaphernsprache, dann hätte man den Zuschauer angelogen.
Im Kino geht man zurzeit immer weiter, man zeigt eine Penetration, eine Ejakulation oder Analverkehr. Das interessiert mich nicht, weil man als Zuschauer dadurch nichts Weiteres erfährt. Die Sexszenen in Garçon stupide mussten hart sein, denn die Sexualität des Protagonisten ist keineswegs romantisch. Es handelt sich um eine funktionelle Sexualität, sozusagen um eine Masturbation à deux.
FL Bei expliziten Sexszenen stellt sich die Frage, wo die Grenze zwischen Dokumentation und Fiktion verläuft.
LB Aus theoretischer Sicht gehören Sexszenen, die nicht das Ziel, sondern ein Mittel der Erzählung sind, zum Arbeitsinstrumentarium des Autorenfilms. Führt alles zu Sex, dann ist man vielleicht in der Pornografie.
FL Dieselbe Frage stellt sich auch in Bezug auf die Pornografie.
LB Der Porno ist eine äusserst reizvolle Mischung aus Dokumentarfilm und Fiktion. Einerseits haben die Darsteller realen Sex, andererseits spielen sie dem Zuschauer etwas vor.
Der Pornofilm vereint so die Stärke des Dokumentarfilms, er erfüllt den Anspruch, Realität abzubilden, und das Faszinierende an der Fiktion, nämlich die Inszenierung einer Handlung, eines Gefühls. Die daraus entstehende Reibung zwischen Realem und Fiktion ist äusserst prickelnd.
FL Prickelnd?
LB Das Oszillieren zwischen Realem und Fantastischem – und ich denke dabei nicht nur an die Pornografie – erzeugt Spannung. Im Sexfilm ist das Realitätsniveau stets hoch: Die Darsteller sind echt, die Kulisse bleibt unverändert. Trotz dem hohen Realitätsbezug kommt es in der Rahmenhandlung oft zu schrägen Situationen: Der Pizzakurier fällt spontan über die Hausfrau her, die Büroangestellte vernascht ihren Arbeitskollegen auf dem Kopiergerät. So entsteht ein Ungleichgewicht zwischen der realen und der fiktionalen Handlung, das ich aussergewöhnlich spannend finde.
FL Auf eine Rahmenhandlung wird im Pornofilm aber zunehmend verzichtet.
LB Leider. Zudem wird immer häufiger auch auf Dialoge verzichtet, da die meisten Darsteller aus dem Osten rekrutiert werden. Entsprechend schnell kommt man zur Sache. Im Porno wird der Mensch immer stärker ausgeblendet. So wechselt eine Nahaufnahme der Geschlechtsorgane die nächste ab. Der Sexualakt reduziert sich auf eine Vagina und einen Penis. Sozusagen ein abstraktes Bild. Was ein Mensch beim Sexualakt erlebt, seine vielleicht gekrümmte Körperhaltung, seine lustverzerrte Mimik, wird ausgespart.
FL Macht dieses voyeuristische Moment die Faszination der Pornografie aus?
LB Ja, aber nicht nur. Denn das Publikum empfindet auch ein Vergnügen dabei, sich vorzustellen, dass zwei Menschen ihretwegen, also sozusagen nur für sie, den Sexualakt vollziehen. Meiner Meinung nach gilt dies übrigens auch für zwei sich küssende Schauspieler. Ich frage mich zum Beispiel, ob man dem Publikum die Kussszene zwischen Brad Pitt und Angelina Jolie in Mr. & Ms. Smith (Doug Liman, USA 2005) nicht vermiest, wenn man behauptet, die zwei seien tatsächlich ein Paar. Die Zuschauer werden nämlich der Befriedigung beraubt, dass Hollywoodstars sich für sie küssen. Aus Sicht des Kinopublikums erreicht ein solches Gerücht eher das Gegenteil der eigentlich intendierten Wirkung. Demzufolge gehe ich davon aus, dass zum Beispiel der Pornofilm eines echten Paares den Zuschauer nicht oder zumindest weniger interessiert.
FL Von der Pornografie zur Erotik – wo verortest du die Grenze?
LB Es gibt erotische Pornos, und es gibt pornografische Erotikfilme. Aus theoretischer Sicht ist diese Grenze beweglich. Erotik und Pornografie scheinen mir in ihrer Abgrenzung gegeneinander durchlässig zu sein. Auch die Zuschauerinnen und Zuschauer spielen eine entscheidende Rolle. Während der eine die Szene als erotisch liest, wartet ein anderer oder eine andere darauf, dass die Darsteller endlich zur Sache kommen.
FL Wo entsteht im Porno Erotik?
LB Es gibt einen entscheidenden Moment im Sexfilm, der in 90 Prozent der Fälle rausgeschnitten wird, nämlich jenen kurzen Augenblick, in dem das Kondom rübergestülpt wird. Das Rausschneiden dieser Zäsur ist typisch pornografisch. Denn andernfalls wäre für kurze Zeit eine Atmosphäre, vielleicht ein kurzer Dialog, ein flüchtiger Blick sichtbar geworden. Ein solcher Augenblick birgt die Gefahr, in den Bereich der Erotik zu rutschen. Also schneidet man ihn lieber raus.
FL Erotik entsteht also in der Verzögerung des Sexualaktes?
LB Dieser kurze Augenblick drängt den Zuschauer in eine Wartehaltung. Das Überstülpen des Kondoms entspricht einem Zurückhalten, einer Verzögerung des Aktes. In der Ausdehnung der Zeit entsteht Erotik. Hitchcock pflegte zwischen einem suspense movie und einem shocking movie zu unterscheiden. Den Unterschied erläuterte er anhand einer Filmszene: Zwei Personen sitzen an einem Tisch, und plötzlich detoniert eine Bombe, das Publikum trifft die Explosion genauso unerwartet wie die Opfer. Eine solche Szene ist typisch für ein shocking movie, so Hitchcock. In einem suspense movie hingegen wissen die Zuschauer, dass unter dem Tisch eine Bombe tickt, so wird ein Moment der Spannung beziehungsweise Suspense kreiert. Ich frage mich, ob zwischen Pornografie und Erotik nicht das gleiche Verhältnis besteht: Pornografie als Explosion und Erotik als Verzögerung.
FL Findet sich in Garçon stupide eine erotische Szene?
LB Es wäre mir sehr schwer gefallen, eine erotische Szene zu drehen. Ich hätte mich gar davor gefürchtet. Sexszenen hingegen sind einfach zu drehen. Sie entbehren jeglicher Gefühle, lassen sich auf einige mechanische Bewegungen reduzieren.
FL Offensichtlich interpretierte es die Presse anders. Dir wurde eine sexuelle Beziehung zum Darsteller Pierre Chatagny nachgesagt.
LB In der Tat. Ein französischer Journalist unterstellte mir in seinem Artikel, Pierre Chatagny nur als Schauspieler engagiert zu haben, um mit ihm ins Bett zu gehen. Witzig, dachte ich mir, man stellt sich vor, dass ich mit Pierre Sex hatte. Witzig, weil mich seine Person im echten Leben kein bisschen interessiert. Der niederländische Dokumentarfilmer Johann van der Keuken sagt am Ende seines Dokumentarfilms Blind kind (NL 1964) etwas sehr Hartes, fast schon Grausames zum porträtierten, blinden Mädchen: «Auf Wiedersehen, kleine Form.» In dieser Bezeichnung steckt viel Wahrheit. Als Regisseur muss man einen Darsteller einzig als Projektionsfläche sehen, nicht als echten Menschen.
FL Weshalb hast du für die Rolle des Protagonisten Loïc Pierre Chatagny, einen Laiendarsteller, gewählt?
LB Pierre bewarb sich mit einem hübschen handgeschriebenen Brief, den er von seiner Mama hatte korrigieren lassen. Man sah unter der Kugelschreiberschrift noch die ausradierte Bleistiftvorlage. Eigentlich wirkte er mir zu jung, aber er kam eines Tages persönlich in der Produktionsfirma vorbei. Wir diskutierten den ganzen Nachmittag lang. Pierre erzählte mir von seiner Arbeit in der Schokoladenfabrik, seiner regelmässigen Internetsuche nach Dates mit Mädchen ...
FL Moment mal, Pierre ist nicht schwul? Aber die Szenen sind ja ziemlich gewagt!
LB Kino! Mise-en-scène! Mich hat seine Geschichte erstaunt. Mit zwanzig hat er sozusagen schon alles ausprobiert. Ich bin nicht besonders schüchtern, aber er hat in seinen jungen Jahren schon ein beachtliches sexuelles Repertoire drauf. Mir wurde gleich bewusst, dass er als Person viel stärker ist als die Figur im Drehbuch. Wir haben es gleich umgeschrieben.
FL Hat Pierres Generation etwa einen unverkrampfteren Umgang mit der eigenen Sexualität?
LB Ich glaube schon. Eine zentrale Rolle spielt das Internet beziehungsweise der freie Zugang zur Pornografie. Meine Generation kam nur indirekt mit Pornofilmen und -illustrierten in Kontakt. Einmal war es ein in der Bahnhofshalle liegen gelassenes Pornomagazin, ein anderes Mal der Pornostreifen des Freundes eines Freundes, stibitzt aus der Kommode seines Vaters. Mit dem Internet hingegen sind verschiedenste Formen der Sexualität allen und jederzeit zugänglich. Pornografie wird zwar rege konsumiert, dabei bleibt den Jugendlichen dennoch vieles versperrt. Zwei Menschen beim Geschlechtsverkehr zuzuschauen, bedeutet nicht, ihre Gefühle zu verstehen. Auch der Grad ihrer sexuellen Befriedigung entzieht sich den Zuschauenden.
FL Der Protagonist Loïc konsumiert Sexualität auf eine fast schon gleichgültige Weise.
LB Loïc folgt dem, was er für sein sexuelles Verlangen hält. Er weiss aber nicht, was er begehrt.
FL Loïcs Identitätssuche bezieht sich also auch auf seine Sexualität?
LB Seine Suche bezieht sich weniger auf die Sexualität als solche, sondern vielmehr auf die Suche nach einer sexuellen Verhaltensweise. Garçon stupide ist sozusagen eine Moralgeschichte, sie handelt aber nicht von der üblichen Moral des Guten beziehungsweise Bösen, sondern davon, wie man die eigene Moral konstruiert. Es geht darum zu erkennen, was einem gefällt und was nicht. Ich verurteile Loïcs Weg nicht, sexuelle Bekanntschaften via Internet zu knüpfen. Aber Loïc macht es auf eine fast schon mechanische Weise. Wenn es ihn zumindest erregen würde!
FL Und das kritisierst du?
LB Es ist keine Kritik. Jugendliche sind heute bezüglich der eigenen Sexualität, des eigenen Körpers unglaublich reif, andererseits aber bleiben sie – auf der affektiven Ebene – unreif. Für mich persönlich – und ich schätze auch für meine Generation – verhielt es sich sozusagen umgekehrt. Affektiv habe ich beispielsweise bereits früh begehrt, ohne zu wissen, wie es sexuell eigentlich läuft. Heute scheint mir, als wäre dieses Verhältnis auf den Kopf gestellt worden.
FL In Bezug auf Sexdarstellungen gibt sich auch der europäische Film mittlerweile «unverkrampfter». Ich denke an Beispiele wie Baise-moi! (Virginie Despentes, F 2000) oder Romance (Catherine Breillat, F 1999).
LB Diese Entwicklung betrifft nicht nur den Film. Seit den Achtziger-, Neunzigerjahren hielt die Pornografie, ihre unästhetisierte und grobe Version, Einzug in die zeitgenössische Kunst. Diese hat viel früher als der Film angefangen, auf konfrontative Weise Pornografie zu thematisieren. Das pornografische Bild etablierte sich zunächst in der zeitgenössischen Kunst, später im Film. Ich glaube aber, dass diese Welle am Auslaufen ist. Der Zenit wurde bereits überschritten. In Genf wird zurzeit ein Theaterstück gezeigt, das für einige Unruhe sorgt. Abend für Abend präsentiert ein Pornodarsteller auf der Bühne seine Erektion. Die Westschweizer Presse hat ausführlich darüber berichtet. Es handelt sich hierbei um eines der letzten Tabus.
FL Ein programmierter Skandal also – dies war aber nie deine Intention.
LB Ich wollte mit Garçon stupide niemanden schockieren. Grundsätzlich interessiert mich der Performanceaspekt nicht, den zum Beispiel auch Catherine Breillat in Romance in den Mittelpunkt rückt. In einer Schlüsselszene vollzieht die Protagonistin den Geschlechtsverkehr mit dem Pornodarsteller Rocco Siffredi. Die Szene erfolgt ohne einen einzigen Schnitt, in Realzeit. Die Inszenierung des Sexualakts verselbstständigt sich auf diese Weise zu einer Performance, zu einem Kunstwerk. Mich interessiert eine solche Darstellung der Sexualität für die eigene Arbeit beziehungsweise für die Narration im Film nicht.
FL Du siehst also keine engere Beziehung zwischen deiner Arbeit und jener von Breillat?
LB Nein, absolut nicht, denn für Catherine Breillat ist die Sexualität ein Thema, für mich ist sie ein Vektor. In ihren Filmen steht die weibliche Sexualität in Abgrenzung zur männlichen im Zentrum. In Garçon stupide ist Loïcs Sexualität lediglich ein Weg, sich seiner Figur zu nähern. Keinesfalls ist sie aber das Sujet des Films.
FL Was unterscheidet den Sexualakt in Breillats Romance von einer pornografischen Szene?
LB Die Fiktion zeigt uns eben doch nicht alles. Die Zuschauer verfolgen die expliziten Szenen nur durch ein Schlüsselloch. Sie sind eigentlich abwesend. In der Pornografie hingegen wird ihre Rezeption miteinbezogen. Der Pornodarsteller schaut bei der Fellatio in die Kamera beziehungsweise zu den Zuschauenden, spricht sie teilweise direkt an. Die Perspektive des Zuschauers ist in diesem Augenblick nicht mehr die eines Voyeurs, sondern die eines partizipierenden Sexualpartners.
FL Obwohl sich die grösste Pornoindustrie der Welt in den USA befindet, gibt sich das Hollywoodkino nach wie vor prüde.
LB Das ist doch grossartig! Die Prüderie und die Zensur haben nämlich indirekt dazu beigetragen, dass hoch erotische Filme gedreht wurden. Je mehr Hollywood zensierte, desto mehr haben Filmemacher und Drehbuchautoren Umwege gefunden, Sexualität darzustellen. Ich denke zum Beispiel an die Penetrationsszene in North by Northwest (Alfred Hitchcock, USA 1959): Ein Zug rast durch einen Tunnel. Oder die unglaublich skandalöse Anfangsszene in Psycho (USA 1960), ohne Zweifel eine der erotischsten Szenen der Filmgeschichte, in der ein Paar in einem Motel gerade schnellen Sex hatte. Die Erotik liegt in diesem Augenblick tonnenschwer in der Luft. Hitchcock war nie dermassen schlecht wie in den Siebzigerjahren, in jener Zeit also, in der er Brüste zeigen durfte. – Im Hollywoodkino kann Sexualität aber auch zu einer Art Motor werden, so zum Beispiel bei Paul Verhoeven. Selbst eine polizeiliche Untersuchung dient hier als Vorwand, über Sex zu reden.
FL Worin siehst du den wohl wichtigsten Unterschied zwischen der Erotik im US-amerikanischen und im europäischen Kino?
LB Wenn man eine etwas vereinfachende Einteilung vornehmen will, dann würde ich das US-amerikanische Kino als freudianisch bezeichnen. Es bezieht sich stärker auf die Träume, das Unterbewusste, das Verdrängte. Das europäische Kino hingegen scheint mir – erneut aus einer psychologischen Perspektive – eher lacanianisch. Autorenfilme aus Europa fokussieren nämlich stärker auf die konkrete Lebenserfahrung.