DANIELE MUSCIONICO

PSYCHO (ALFRED HITCHCOCK, USA 1960)

MOMENTAUFNAHME

Es leckt an ihr, leckt sie ab. Das Wasser leckt die kreisrunde Öffnung, liebkost den makellosen Rand, schmiegt sich an ihn, fasst ihn fest, eng und enger, ekstatisches Treiben, strömende Trance. Ein Wirbel, ein Triumph, und die Geliebten sind eins: das Wasser und der Schlund.

Die Flüssigkeit zieht und wird gezogen. Sie drängt und wird gedrängt. Hin über ein jungfräuliches Bett, porzellanenes Gefälle, faltenloses Linnen. Das Wasser ergiesst sich von links ins Bild nach rechts. Es will und muss hinein, hinab und hinunter. Die Öffnung wird umworben, umkost und umspielt. Und dann der Fall, hinein ins Schwarz, hinab und hinunter. Unschuldiges Wasser, schuldschwerer Spalt. Höllenschlund. Blut will er, das Blut von Janet. Blut ist dicker als Wasser. Blut und Wasser mischen sich nicht. Die Öffnung saugt, lechzt gierig, mehr, mehr und noch ein Strahl. Das Blut ist süss und schwer. Und pocht und pulst, warm noch vom ersterbenden Körper. Das Blut fällt und mit fällt das Wasser. Der Sündenfall in die Finsternis der Lust.

Daniele Muscionico
geb. 1962, lebt schreibend in Zürich, hauptsächlich für die Neue Zürcher Zeitung.
(Stand: 2006)
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