Der etwas seltsame Titel C’est mourir un peu? bezieht sich auf die französische Redeweise «Partir, c’est mourir un peu». Semantisch lässt sich die Frageform wohl damit erklären, dass sich im Film niemand zum Weggehen entschliessen kann (obwohl alle Figuren sich damit auseinander setzen); formal erweist sich die Aussparung des ersten Verbs im Filmtitel als Hinweis auf den Stil, der diese erstaunliche und auch anspruchsvolle Videoproduktion charakterisiert.
Denn C’est mourir un peu?, im Rahmen der Résolution 261 der Agitationsgruppe Doegmeli produziert (wie 20 balles de l’heure von Frédéric Landenberg), besteht zunächst aus verschiedenen Geschichtsfragmenten von meist namenlosen Paaren und Einzelfiguren: Da sind die zwei heranwachsenden Mädchen, die von zu Hause ausreissen wollen, sich aber bald im Streit trennen; die Frau, die seit neun Jahren mit ihrem Mann zusammenlebt und nun trotz seiner Eifersucht eine Woche alleine in die Ferien fahren will; der ältere, geistig verwirrte Mann, der nachts auf den verlassenen Strassen umherirrt und die seltenen Passanten nach einer Adresse in Lissabon fragt; der junge Student, der sich eigentlich mit seiner Freundin nach Marseille begeben möchte, diese jedoch plötzlich fluchtartig und ohne Erklärung verlässt; der Busfahrer, der via Handy von der Niederkunft seiner Frau erfährt, der auf Grund einer Akku-Panne jedoch nicht in Erfahrung bringen kann, ob er Vater eines Jungen oder eines Mädchens geworden ist. Sein verzweifelter Versuch, seine Frau erneut anzurufen, wird schliesslich zum Verbindungselement dieses mosaikartigen Films, der sich in erster Linie der Frage der Kommunikationsschwierigkciten zu widmen scheint. Der alternierende Schnitt von C'est mourir un peu? verhindert jedoch die Gewichtung der einzelnen Geschichten und ermöglicht es dem Publikum erst am Ende, das Gesehene zu einem verständlichen Gesamtbild zusammenfügen. Die Schnittstellen des Films - jene Szenen, in denen sich die Wege der jeweiligen Figuren kreuzen - sind zudem aus jeweils verschiedenen Blickwinkeln gefilmt, was ebenfalls dazu beiträgt, die Relevanz der einzelnen Erzählstränge zu relativieren.
Der Versuch, durch das zufällige Zusammenführen von Personen einen objektivierten Querschnitt einer fiktiven Welt entstehen zu lassen, ist offensichtlich von Tarantinos Pulp Fiction und Jarmuschs Mystery Train beeinflusst. Doch selbst wenn sich die Konstruktion von C’est mourir un peu? als weniger zwingend erweist als jene, die seine Vorbilder auszeichnet, vermag es Plantevin, mit seinen Figuren ein schlüssiges Stimmungsbild zu zeichnen. Erzähltechnisch besticht der Film durch die Virtuosität, mit der er sich dem linearen Zcitfluss entgegenstellt. Mit seinem leicht absurden, Beckett nicht allzu fernen Porträt einer Gruppe von Menschen, die sich alle zum Busbahnhof hinbewegen, im letzten Augenblick jedoch auf die Abreise verzichten, gelingt cs dem Filmemacher, seinem existenziellen Befund eine persönliche Färbung zu verleihen.