Endlich ist Stefan Balsigers grosse Stunde gekommen: Als Stellvertreter seines Chefs, des Schweizer Botschafters in Kuba, darf er sich hinter dessen Schreibtisch breit machen und in seinen 15 Minuten Ruhm baden - eine ersehnte, aufregende Abwechslung zu seinem sonst eher unspektakulären Alltag als kleiner Angestellter. Die Schweizer Botschaft vertritt in Kuba auch die Interessen der USA, weshalb Balsiger nun den US-Senator Russell bei Embargo-Verhandlungen mit der kubanischen Regierung assistieren soll. Der Senator entpuppt sich als Lebemann, und Balsigers erster Auftrag besteht darin, ihm ein heimliches Rendezvous mit einer kubanischen Barmaid zu organisieren. Hier beginnen die Probleme: Sie nimmt den Senator als Geisel, um ihre Ausreise in die USA zu erpressen. Die Regierung Kubas wird auf Grund Russells Fernbleiben von den Gesprächen misstrauisch; die US-Obrigkeit vermutet eine Entführung des Senators durch den kubanischen Staat. Als sich Balsigers Chef, die Medien und der Schweizer Bundesrat auch noch einschalten, sieht sich Balsiger endgültig in der Klemme. Es entspinnt sich eine Komödie, die von ihren teilweise sehr gelungenen, geschickt platzierten Pointen lebt, vor allem aber von den sich überschlagenden, unvorhersehbaren Irrungen und Wirrungen.
Ernstfall in Havanna fügt sich auf den ersten Blick in die Reihe neuerer Schweizer Komödien wie Katzendiebe (Markus Imboden, 1997) oder Komiker (Markus Imboden, 2000). Der - wie auch die beiden anderen - von Ruth Waldburger (Vega Film) produzierte Film ist ausdrücklich fürs breite Deutschschweizer Publikum konzipiert und mit Faktoren wie einem exotischen Setting, einer konventionellen, gefällig glatten Kameraführung, ebensolchem Soundtrack und Nationalprominenz in den Hauptrollen als Kassenerfolg optimiert. Die Regie von Sabine Boss (Realisatorin der SF-DRS-Produktion Studers erster Fall, 2000) ist handwerklich solide. Dass die Rechnung aufging und der Film zum Erfolg wurde, liegt wohl aber nicht nur daran, sondern auch am gelungenen Drehbuch und am gut getimten Plot. Die schauspielerische Leistung Viktor Giacobbos als Stefan Balsiger ist überzeugend: Der kleine Angestellte, der sich in seinen verwegensten Träumen in weissem Leinenanzug mit Zigarre sieht, trinkt morgens seine Ovomaltine aus dem Schüttelbecher. Als sich der erträumte Glamour des internationalen Rampenlichts endlich einstellt, kriegt er kalte Füsse, und sein Bedürfnis nach Ruhe, Ordnung und Durchschnittlichkeit erweist sich als der unüberwindbare Kern seiner Persönlichkeit. Dies macht den Film zu mehr als einer vergnüglichen, bodenständigen Komödie: nämlich zu einer treffend diagnostizierten, augenzwinkernd satirischen Reflexion über das Diplomatie- und Neutralitätsbedürfnis der Schweizer Politik der Guten Dienste und über das Wesen des Schweizertums überhaupt.