Dokumentationen über Dreharbeiten, die seit geraumer Zeit vor allem Privatfernsehkanäle überschwemmen, verbreiten vorwiegend schmuddeligen PR-Charme oder verfallen Geniekult und ideell-ästhetischer Trittbrettfahrerei. La vida es filmar, der zweite Film des Bieler Kulturschaffenden Beat Borter, ist mehr als ein weiteres «Making of». Borter begleitete seinen langjährigen Freund Fernando Pérez im Sommer 1998 bei den Dreharbeiten zu La vida es silbar, der mit seinem magischen Realismus in der Schweiz ein Kritiker- und Publikumserfolg wurde.
Entstanden ist ein lebendiges Stimmungsbild nicht nur von den Dreharbeiten, sondern auch über die Einwohner Havannas. Von ihrer Anteilnahme am Entstehen eines Films können Filmschaffende hier zu Lande nur träumen: Verzückte Blicke und Staunen allenthalben spiegeln die intakte Magie des Kinos. Aber auch die Sehnsucht, dem schwierigen Alltag des «periodo especial» zu entfliehen, den Ballon - das eindrücklichste Requisit von La vida es silbar - zu besteigen und «andere Kulturen zu sehen».
Borter lässt die Equipe und viele Zaungäste zu Wort kommen. Was ist Film? Was kann er sein? Was ist Glück? Das Spektrum der Aussagen reicht von überzeugt vorgetragener offizieller Rhetorik bis zur populären Sicht, vor allem seitens junger Kubaner: «Glück ist für mich Weggehenkönnen aus diesem Land.» Oft staunt man über den hohen Bewusstseinsgrad, und nicht selten blitzt so etwas wie Lebensweisheit auf. Auch Pérez selbst nimmt Stellung zu seinem vielschichtigen Film, dessen Bedeutung er nicht restlos erklären will: «Die Gefahr besteht zu glauben, Glück könne man per Dekret erlassen. Jeder ist anders. Es ist eine individuelle Frage.»
Weitgehend chronologisch verfolgt Borter mit einer agilen Videokamera den Dreh, schwelgt zuweilen ein bisschen mit in der Fiktion, die Pérez, mit dem Megafon sanft dirigierend, herzaubert: etwa indem er einen Platzregen filmt, der sich aus Feuerwehrschläuchen über das ausgetrocknete Havanna und über die Balletttänzerin im Fahrradtaxi ergiesst. Pérez ist überall, spielt den Schauspielenden mit Hingäbe ihre Rollen vor und legt beim Gerüstaufbau selbst Hand an. Auch wenn er im Mittelpunkt ist, wirkt er mit seiner zurückhaltenden Art nie dominierend.
Die Essenz von La vida es filmar ist die trotz widriger Umstände omnipräsente Lebensfreude der Menschen auf den Strassen und ihre Begeisterung für das Kino. So wird Borters Dokument mehr noch als eine nüchterne Hommage an seinen Freund Pérez zu einer Ode an die Vitalität der Menschen in Kuba.