Was passiert, wenn eine Filmfigur kollabiert, während sie gerade genüsslich eine riesige Portion Eiscreme mit einer Unmenge Sahne verschlingt? Genau! Das schmerzverzerrte und bleiche Gesicht klatscht ungebremst in die süsse Speise. In Stina Werenfels Pastry, Pain & Politics allerdings sinken Kinn und Nase fast unerträglich langsam und verfehlen schliesslich prompt das weisse Türmchen - zwar nur um einige Zentimeter, aber immerhin. Dieses Spiel mit den Sehgewohnheiten der KinogängerInnen steht stellvertretend für das Gesamtkonzept des Films: In dreissig dichten Minuten wird auf clevere und zugleich äusserst witzige Art mit Stereotypen und Vorurteilen aller Art abgerechnet.
Aus New York kommt das ältere jüdische Ehepaar Weintraub. Schon in der ersten Einstellung liegt es sich in den Haaren. Ellen will unbedingt nach Israel in die Ferien, Fritz ist es dort zu heiss. Also beschliessen die beiden, den Urlaub in der Schweiz zu verbringen. Ellen jedoch gefällt dies ganz, und gar nicht: Mit dem «Heidi-Land» möchte sie nichts zu tun haben, denn im Zweiten Weltkrieg wurde sie an dessen Grenze abgewiesen. Schliesslich aber fahren sie trotzdem in die Schweiz, und es scheint fast so, als würde Fritz, für sein Durchsetzungsvermögen bestraft: Kaum angekommen, muss er feststellen, dass aufgrund sommerlicher Rekordhitze die Temperaturen jene in Israel übersteigen. Und so kommt es zur eingangs bereits geschilderten Szene in einem Cafe. Notfallmässig muss Fritz ins Spital eingeliefert werden. Dort wird er von der Krankenschwester Hayat gepflegt, einer Palästinenserin. Von dieser «Terroristin» will Fritz sich nun jedoch wirklich nicht behandeln lassen. Der unvermeidbare Schlagabtausch beginnt und nimmt immer groteskere Formen an.
Werenfels aberarbeitet nicht auf die Situation hin, die man erwarten würde. Statt dass sich Fritz und Hayat immer erbittertere Wortgefechte liefern, rückt Ellen ins Zentrum. Im klaustrophobisch engen Raum eines Reisecars lässt die Regisseurin die beiden Protagonistinnen aufeinandertreffen. Diese versuchen, hinter Grossformatzeitungen verschanzt, die jeweils andere zu ignorieren - bis der Gar in Richtung deutscher Grenze fährt, und sie wegen der bevorstehenden Passkontrolle gezwungen werden, Partei füreinander zu ergreifen.
Die filmische Umsetzung eines sich in einem New Yorker Krankenhaus zugetragenen Vorfalls ist zwar wohl um einiges phantastischer ausgefallen als das reale Geschehen selbst. Gerade das macht Pastry, Pain & Politics aber schliesslich zu einer herrlich frischen Komödie mit Biss. Der Film bietet ein hochwertiges Konzentrat an Spannung und Witz, an ausgeklügelten Dialogen und umwerfenden schauspielerischen Leistungen.