LILIAN RÄBER

ORSON & WELLES (FELIX SCHAAD)

SELECTION CINEMA

Die Wirkungsmacht des Kinos als Thema für eine filmische Science-fiction - so könnte der Inhalt des Diplomfilmes von Felix Schaad umschrieben werden, orson & welles evoziert eine futuristische Welt, in der die Gefühle des Publikums durch das Kino total kontrolliert werden. Es läßt die Herzen der Zuschauerinnen im Gleichtakt leuchtend pulsieren. Nur eine uniforme Leinwand kann eine solche Gleichschaltung bewirken - und so erfahren wir, daß in dieser Welt die Freunde des unbelichteten Filmmaterials herrschen. Aber wie in jedem System totaler Kontrolle bahnen sich die Triebe einen subversiven Weg ans Licht. Orson und Welles, die beiden Hauptfiguren der Geschichte, finden einander auf der Suche nach wirklicher Bewegtheit, die nur durch belichtetes Filmmaterial erzeugt wird. In einer dramatischen Schlußszene landen sie auf einem Set, auf dem ein richtiger Film gedreht wird. Der miese Regisseur will »echte Gefühle« sehen und schwingt die Peitsche bei der Aufnahme jener Szene mit der todsicheren Reizkombination: Monster trifft auf Frau - das Publikum erschauert.

All dies könnte in langen theoretischen Abhandlungen über die Wirkungs- und Funktionsweise des Kinos auch gefunden werden; aber Felix Schaad erzählt es filmisch und macht es so erlebbar. Intelligent wird die »Chemie« des Filmes visualisiert. Die stark kontrasthaltigen Schwarzweißbilder gemahnen an Szenen aus Kultfilmen der Stummfilmzeit. Schaads Flair für geheimnisvolle Welten zeigte sich in seinem früheren Film Das Panama-Projekt (1992). Dort wirken die undurchsichtigen Vorgänge und die Männer, die durch Zürichs Kanalsystem stapfen, eher wirr als visionär. Bereits sind jedoch Ansätze zu einer eigenen Ästhetik erkennbar. In orson & welles gelingt es Schaad, die Aussage zuzuspitzen, ohne daß eine eindimensionale Moral aufgestellt wird. Das originelle graphische Dekor unterstützt die Interpretation - der ganze Film ist aus einem Guß.

Lilian Räber
geb. 1967, ist Historikerin und arbeitet als freie Filmjournalistin - vorwiegend für die WochenZeitung, lebt in Zürich.
(Stand: 2019)
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