MIKLÓS GIMES

DUENDE (JEAN-BLAISE JUNOD)

SELECTION CINEMA

Ein Film über den Stierkampf, 35 mm, neunzig Minuten lang, von einem Schweizer gedreht; das ist etwas ganz Seltenes. Gezeigt wird ein Novillero, ein junger Stierkämpfer, der sich auf die Alternativa vorbereitet, das ist die entscheidende Corrida, die ihn zum Matador weiht. Der Film beginnt mit der Anreise in die andalusische Kleinstadt, wo der Stierkampf stattfinden wird, wir sehen den jungen Mann und sein Team, den Fahrer, den Schwertträger, den Manager. Der Stierkämpfer bezieht Unterkunft im Hotel, schläft, bereitet sich vor, wird eingekleidet. Der Kampf selber nimmt einen fast beiläufig kleinen Teil des Filmes ein, dafür sehen wir, wie die Stiere gezüchtet und eingefangen werden. Mit dem jungen Stierkämpfer gehen wir eines Nachts auf die Weide zu einem wilden Stierkampf, das ist sicher einer der eindrücklichsten Momente des Filmes. Unterbrochen wird dieser dramaturgische Ablauf durch Interviews, in Schwarzweiss, mit ehemaligen Stierkämpfern und ihren Angehörigen.

Duende ist kein spektakulärer Film, im Gegenteil, man hat das Gefühl, der Autor habe sich als Ausländer zur äussersten Sachlichkeit gezwungen. Die Dramaturgie ist statisch, getragen von einem weihevollen Ernst. Die Kamera ist überall dabei, im Auto, im Schlafzimmer, in den Durchgängen der Placa de Toros. Das gibt dem Film eine Ausstrahlung von Fiktion, eine romantische Note, die von der Kameraarbeit verstärkt wird. Hughes Ryffel hat wunderbare Bilder gemacht, die aber manchmal etwas zu lange in der romanhaften Schönheit der spanischen Landschaft verweilen. Wenn der alte Amerikanerwagen des Stierkämpfers minutenlang durch die Sierra schaukelt, erliegen der Regisseur und sein Kameramann vollends dem äusserlichen Reiz ihres Themas. Andrerseits muss man Junod und Ryffel dankbar sein, dass sie die Ästhetik, welche den Stierkampf prägt und jedes Detail umgibt, erkannt und in Bilder gefasst haben. Die Stärke des Films ist sicher auch die Vorarbeit, dass es Junod gelungen ist, das Vertrauen der Stierkämpfer-Kreise zu gewinnen. Duende ist ein Film über die Schönheit, die Schönheit der Riten und der Sachen. Schönheit, die so gar nicht überleben kann, vermutet der Zuschauer wehmütig, obwohl sich der Film dazu nicht äussert.

Miklós Gimes
ist Mitglied des Filmkritiker-Teams des Zürcher Tages-Anzeigers.
(Stand: 2019)
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