Die 13jährige Juliana lebt mit ihrem kleinen Bruder, ihrer Mutter und deren zweitem Ehemann in einer Elendsbehausung der Millionenstadt Lima. Die Mutter sorgt für den Lebensunterhalt der Familie, indem sie einen Stand auf dem Markt betreibt. Der Mann lungert herum, trinkt Bier und vertreibt sich die Zeit damit, Juliana herumzuschikanieren. Manchmal geht Juliana auf den Friedhof, um dem verstorbenen Vater ihr Leid zu klagen. Sie kann nicht verstehen, warum die Mutter den Paco nicht einfach hinauswirft, der nur auf ihre Kosten lebt und sie obendrein schlecht behandelt. Als der verhasste Stiefvater sogar soweit geht, das Radio zu stehlen, das Juliana sich zusammengespart hat, verlässt sie ihr Zuhause. Sie folgt ihrem Bruder, der bereits früher weggelaufen ist und jetzt bei Don Pedro wohnt. Dieser Don Pedro, auch er ein echter Parasit, hält sich eine Gruppe von Strassenjungen, denen er ein „Heim“ bietet und die für ihn „arbeiten“. Sie singen für die Passagiere der grossen Überlandbusse und liefern das Geld, das sie bekommen, zum grössten Teil bei ihrem Meister ab. Dieser erzählt ihnen, wenn er guter Laune ist, schon mal Geschichten aus seinem Gaunerleben; wenn er betrunken ist und sie des Betrugs verdächtigt, verprügelt er sie. Aber sie haben wenigstens ein Dach über dem Kopf und können ein einigermassen menschenwürdiges Leben führen.
Da Don Pedro nur Jungen in seine Gruppe aufnimmt, schneidet sich Juliana kurzentschlossen die Haare ab und verwandelt sich in Julian. Dank ihres unerschrockenen, kecken Auftretens gelingt es ihr, Mitglied der Bande zu werden. Sie schlägt sich in ihrer neuen Identität erfolgreich durch. So fest ist sie in der Gruppe verankert, dass sie in dem Augenblick, da sie als Mädchen entlarvt wird, nicht nur ihren Rausschmiss verhindern kann, sondern im Gegenteil zur Anführerin einer Rebellion gegen Don Pedro wird.
Die Schlussequenzen des Films zeigen eine Utopie: Die Kinder haben sich von ihrem Ausbeuter und Unterdrücker befreit. Sie wohnen jetzt in einer autonom organisierten Gemeinschaft auf einem alten Schiffswrack am Meer. Sie legen ihr Geld zusammen, kochen abwechselnd, und wenn sie zusammen essen, dann ist der Tisch liebevoll gedeckt. Juliana trägt wieder lange Haare und einen Minijupe.
Der Schluss vollzieht nur in letzter Konsequenz, was den Film wie ein roter Faden durchzieht: der pädagogische Ehrgeiz, dem Zuschauer exemplarisch vorzuführen, wie das Leben von Millionen von Kindern in der Dritten Welt aussieht, und welche Möglichkeiten der Emanzipation und Selbsthilfe es gibt. Diesem Sozialarbeiter-Ansatz ist der ganze Film untergeordnet. Die Geschichte wirkt konstruiert und plakativ. Obwohl sicher alle Lebenslaufe, die im Verlauf des Films von den Kindern erzählt werden, auf Tatsachen beruhen, wirkt alles seltsam blutleer und gestellt. In dem Film agieren nicht Menschen, sondern Charaktermasken. Die Frau ist gutmütig, fleissig und unterdrückt, der Ehemann faul, erfolglos und böse. Die Kinder sind fast durchweg gutartig, aufgeweckt, vernünftig und voller Lebenskraft. Was fehlt, sind die Zwischentöne, die Gebrochenheit, die Nuancen, die einen Charakter auf der Leinwand glaubwürdig machen. Dem Film fehlt die Härte und die Gewalt der Realität, wie sie in Dokumentarfilmen über die lateinamerikanischen Strassenkinder anzutreffen ist, es fehlt ihm aber auch die höhere Wahrhaftigkeit der Fiktion, wie z.B. in Bunuels Los olvidados. Juhana ist ein Zeigefinger-Film, voll guten Willens und aufklärerischen Engagements, aber ohne erzählerische und gestalterische Kraft.