BRUNO JAEGGI

DAS ZIEGENHORN

ESSAY

Methodi Andonows schlackenlose Geschichte einer Rache ha» Tradition: Schon vor ihm tauchten bulgarische Regisseure jn die Welt der Dörfer und der Berge, um die Wurzeln ihrer Nation zu erforschen. Vor ihm auch machte sich die Aufwertung des mehrschichtigen Individuums deutlich, die Tendenz, nicht mehr genau abgezirkelte Figurenkonstruktionen zum Motor des Geschehens zu machen. Aber keiner hat diese Optik vor Andonows Ziegenhorn derart wuchtig, kompromisslos und überzeugend umzusetzen vermocht.

Methodi Andonow steigt ins 17. Jahrhundert zurück, um einen Film zu drehen, der aktuelle Resonanz hat. Er leuchtet die Rache eines Ziegenhirten (Kara Iwan) aus, der unter der Willkür der halbfeudalistischen Unterdrückung durch die Ottomanen zu leiden hat: Diese Welt lebt noch im archaischen Zustand. Vier osmanische Herren dringen eines Abends in die Hütte des abwesenden Hirten ein, vergewaltigen vor der kleinen Tochter die Frau, die — ungewollt — erstickt wird. Kara Iwan zieht sich darauf in den Stall zurück, seine Tochter Maria erzieht er wie einen Sohn. Denn diese Welt ist nicht für die Frauen geschaffen. Nach neun Jahren dann ist der Moment zur Rache gekommen: zu einer isolierten, nach dieser Zeit fragwürdigen Rache. Das zuvor angehaltene Räderwerk funktioniert nun bis zur tragischen, absurden Konsequenz: Kara Iwans Tochter entdeckt gegenüber dem letzten noch lebenden Täter von einst ihre fraulichen Gefühle. Eine andere Natur als jene, die vom Verhalten des Vaters bestimmt wird, bricht durch. Was Maria zuvor schon gegen ihre Überzeugung getan hatte, richtet sich nun gegen ihr Leben überhaupt. Gewiss konnte Kara Iwan unter der herrschenden Gerichtsbarkeit keine andere «Gerechtigkeit» als die seine praktizieren. Aber seine rein private Rache führt zur Zerstörung dessen, was er Zukunft genannt hat. Das Fehlen von Solidarität und die Unmöglichkeit eines gemeinsamen Widerstands werfen Kara Iwan folgerichtig in die totale Isolation.

Methodi Andonows Stil scheint klassisch — aber er vermag durch das Einfache hindurch überaus nuanciert verschiedene Ebenen zu berühren. Seine Bilder sind von seltener Präzision und einprägsamer Dichte; die Figuren wirken wie aus dem Stein des Gebirges gehauen, in dem sich diese Geschichte zuträgt.

Kosiat rog, 1971. Regie: Methodi Andonow. Drehbuch: Nikolai Chaitow (nach einer eigenen Erzählung). Kamera: Dimo Kola-row. Musik: Simeon Pironkow (oder Boris Karadimtschew?). Darsteller: Katja Paskalewa (Maria), Anton Gortschew (Kara Iwan), Milen Penew (Hirt), Kliment Dontschew, Stefan Mawro-diew. Marin Janew und Todor Kolew (vier osmanische Herren). Schwarzweiss, Scope.

LA CORNE DE CHEVRE

Le film décrit les préparatifs de ven-aeance d'un père — neuf ans après que sa femme a été violée et tuée. Le récit dur, beau et puissant est précédé d'un sous-titre: «Cette histoire sanglante s'est déroulée au XVIIe siècle. Elle débute par la violence.» Mais malgré son réalisme, malgré des images qui semblent être taillées à coups de serpe, Méthodi Andonov ne s'intéresse point au côte spectaculaire de cette tragédie. Ce qui compte c'est la vie rurale et les montagnards qui reflètent une des sources de la Bulgarie. Et c'est, avant tout, une réflexion approfondie et émouvante sur la violence, sur la lutte d'un nomine isolé qui n'a aucune Chance devant les juges, qui ne cherche plus meme la resistance dans la solidarité avec tous ceux qui sont, comme lui, opprimes et humiliés. L'impasse totale de cette vengeance trop bien refle-chie pour etre innocente se dévoile dans l'effondrement de la vie et de l'avenir du père — et dans la fin réelle et symbolique de sa fille dont il aurait voulu faire un fils qui eut vengé son épouse. Andonov se refuse tout exotisme, tout esthétisme, ce qui agrandit encore la portée du sujet, l'âpre beauté des personnages et de l'entourage. — Et Albert Cervoni écrit dans «Les Ecrans de Sofia»: «La Corne de chevre pourtant, 'sauvage', rude, sensible et très honnêtement romantique, est un des plus beaux films de ces vingt dernières années, un des films od l'on trouve le plus d'austérité et de passion violente». (bj)

Bruno Jaeggi
Keine Kurzbio vorhanden.
(Stand: 2020)
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