Methodi Andonows schlackenlose Geschichte einer Rache ha» Tradition: Schon vor ihm tauchten bulgarische Regisseure jn die Welt der Dörfer und der Berge, um die Wurzeln ihrer Nation zu erforschen. Vor ihm auch machte sich die Aufwertung des mehrschichtigen Individuums deutlich, die Tendenz, nicht mehr genau abgezirkelte Figurenkonstruktionen zum Motor des Geschehens zu machen. Aber keiner hat diese Optik vor Andonows Ziegenhorn derart wuchtig, kompromisslos und überzeugend umzusetzen vermocht.
Methodi Andonow steigt ins 17. Jahrhundert zurück, um einen Film zu drehen, der aktuelle Resonanz hat. Er leuchtet die Rache eines Ziegenhirten (Kara Iwan) aus, der unter der Willkür der halbfeudalistischen Unterdrückung durch die Ottomanen zu leiden hat: Diese Welt lebt noch im archaischen Zustand. Vier osmanische Herren dringen eines Abends in die Hütte des abwesenden Hirten ein, vergewaltigen vor der kleinen Tochter die Frau, die — ungewollt — erstickt wird. Kara Iwan zieht sich darauf in den Stall zurück, seine Tochter Maria erzieht er wie einen Sohn. Denn diese Welt ist nicht für die Frauen geschaffen. Nach neun Jahren dann ist der Moment zur Rache gekommen: zu einer isolierten, nach dieser Zeit fragwürdigen Rache. Das zuvor angehaltene Räderwerk funktioniert nun bis zur tragischen, absurden Konsequenz: Kara Iwans Tochter entdeckt gegenüber dem letzten noch lebenden Täter von einst ihre fraulichen Gefühle. Eine andere Natur als jene, die vom Verhalten des Vaters bestimmt wird, bricht durch. Was Maria zuvor schon gegen ihre Überzeugung getan hatte, richtet sich nun gegen ihr Leben überhaupt. Gewiss konnte Kara Iwan unter der herrschenden Gerichtsbarkeit keine andere «Gerechtigkeit» als die seine praktizieren. Aber seine rein private Rache führt zur Zerstörung dessen, was er Zukunft genannt hat. Das Fehlen von Solidarität und die Unmöglichkeit eines gemeinsamen Widerstands werfen Kara Iwan folgerichtig in die totale Isolation.
Methodi Andonows Stil scheint klassisch — aber er vermag durch das Einfache hindurch überaus nuanciert verschiedene Ebenen zu berühren. Seine Bilder sind von seltener Präzision und einprägsamer Dichte; die Figuren wirken wie aus dem Stein des Gebirges gehauen, in dem sich diese Geschichte zuträgt.