Der Vietnamkrieg und die ihn begleitenden Proteste, zu denen die Kriegsdienstverweigerung und das ‹Draft Dodging› gezählt werden können, wurden durch die unzähligen künstlerischen Verarbeitungen Teil unseres kulturellen Gedächtnisses. Aus Frankreichs fast zeitgleich stattfindendem Algerienkrieg sind hingegen nur wenige solcher Geschichten allgemein bekannt: Dabei waren es immerhin zwischen 100 und 300 junge französische Männer, die – nicht willens, an der brutalen Niederschlagung der algerischen Unabhängigkeitsbewegung teilzunehmen – aus der französischen Armee desertierten oder gar nicht erst in diese einrückten, sondern sich stattdessen in verschiedene europäische Nachbarländer absetzten, darunter auch in die Schweiz.
Dort wurden die Verweigerer, die in ihrem Heimatland nun doch immerhin als Verbrecher galten, zwar kaum mit offenen Armen empfangen, zurückgeschickt wurden sie aber auch nicht. In Zürich seien «Kommunisten wie er» nicht willkommen gewesen, erinnert sich jemand an die Reaktion der zuständigen Behörden. Mit dem Zusatz jedoch: «Vielleicht in Genf oder Lausanne.» Ein informelles Netzwerk aus expatriierten Franzosen und politisch-konspirativ aktiven Schweizern entstand in der Westschweiz. Man verhalf sich zu Anstellungen und betrieb in kleinerem Masse verschiedene Formen von Gegenpropaganda: So wurden etwa Fotografien und Berichte der drastischen Auswirkungen des Krieges auf die algerische Bevölkerung – etwa von Hinrichtungen und Folterpraktiken – über die Schweiz nach Frankreich geschmuggelt, wo das wahre Angesicht des Krieges den meisten Menschen kaum bekannt war.
Natürlich waren die Männer im Exil vom Heimweh geplagt und konnten nicht zur Beerdigung der eigenen Mutter, ohne mehrere Jahre Gefängnis zu riskieren. Trotzdem entschieden sich, als der Krieg Anfang der Sechziger mit der algerischen Unabhängigkeit zu Ende ging, einige von ihnen dafür, in der Schweiz zu bleiben und ‹un petit bourgeois suisse› zu werden. Andere reisten nach Algerien, um dort den Wiederaufbau von Schulen und anderer Infrastruktur zu unterstützen. Es sei gerade die Liebe dieser Männer zu Frankreich gewesen, die sich darin äusserte, dass sie nicht an dessen (kolonialen) Irrwegen teilnehmen wollten, sondern mit den Mitteln, die ihnen zu Verfügung standen, gegen diese kämpften.
CHoisir à vingt ans ist ein erhellendes Dokument über einen wenig bekannten Aspekt der schweizerisch-französischen Beziehungen. Durch den autobiografischen Zugang und durch die Verwendung von unerwartetem Bildmaterial – etwa von Zeichnungen algerischer Kinder, die den Krieg abbilden – verleiht Hermann dem Film eine besondere Authentizität, welche die persönlichen Ausführungen über Moral und persönliche Verantwortung umso nachvollziehbarer und eindringlicher gestalten.