Eine vierköpfige Familie verunfallt auf dem Rückweg von der Beobachtung einer Sonnenfinsternis in einem Autotunnel. Nur der jüngere, achtjährige Sohn allein überlebt die Katastrophe. Dieses einschneidende Trauma steht im Zentrum des Romans Finsteres Glück (2010) von Lukas Hartmann – und eng verbunden mit diesem Thema ist die Frage nach der richtigen psychologischen Betreuung des achtjährigen Kindes, das plötzlich ohne Familie dasteht. Je länger die Auseinandersetzung andauert, desto mehr wird zudem deutlich, wie sehr dieser Fall alle Beteiligten affiziert und verändert.
Der literarische Text Hartmanns erzählt diesen Prozess aus der Ich-Perspektive der beigezogenen Traumaspezialistin, und mit einer zweiten narrativen Ebene schafft der Schriftsteller einen symbolisch-mystischen Bezug zum Isenheimer Altar und zu dessen Künstler Grünewald, der einen Adoptivsohn aufzog. Stefan Haupts gleichnamiger Spielfilm konzentriert sich demgegenüber ganz auf die Gegenwartsebene, möchte aber dennoch nicht auf die Allegorik von Grünewalds Bildern verzichten, die von Kreuzigung, Auferstehung, Erlösung erzählen. Die motivische Engführung wird bereits in den ersten Filmminuten beschworen, doch befremdet hier die aufdringliche und zugleich rätselhafte Konfrontation. Das Drehbuch entwickelt sodann aber Szene um Szene, in genauer, durchaus subtiler und einem erzählerischen Realismus verpflichteten Sorgfalt das innere und äussere Drama des zutiefst traumatisierten Kindes sowie das Ringen der Betreuerin um professionelle Distanz.
Yves Zanini (Noé Ricklin) ist ein Junge mit grossen runden Augen, der mit seinem verschreckt-verwunderten Blick über die Grausamkeit des Lebens die Menschen um ihn herum in Bann zieht. Nicht nur die Schwester der verstorbenen Mutter des Jungen, sondern auch seine Grossmutter möchte ihn adoptieren, und die alleinerziehende Psychologin Eliane Hess (Eleni Haupt) spürt angesichts des Kampfes um das Kind, wie sie sich zu engagieren beginnt, – und dies umso mehr, als deutlich wird, dass in Yves’ Familie häusliche Gewalt herrschte.
Finsteres Glück ist die Geschichte von schmerzhaften Verlusten und der Chance, aus ihnen durch Zuneigung und Liebe eine hoffnungsvolle Zukunft und damit eine Art von Erlösung zu gestalten. Das ist im Film in vornehmlich kammerspielähnliche Szenen umgesetzt, in Blicken und vielen Dialogen erzählt, aber leider nur selten auch in erzählenden Bildern. Die Bilder des Isenheimer Altars müssen deshalb zuletzt behauptet und erklärt werden, um ihre Funktion aufzuzeigen – so bleiben sie bedeutungsvolle Staffage, als dass sie sich in unmittelbare Erfahrung verwandeln.