Am Anfang torkeln sie durchs Dorf und kicken Laternen aus. Am Ende haben sie Glatzen und werfen Molotowcocktails auf ein Bauernhaus. Dazwischen zünden sie vor dem Asylantenheim einen Kinderwagen an, stehlen Geld in der Garderobe des Sportklubs, rauchen ein Bong nach dem anderen, leeren Schnapsfläschchen wie Kampftrinker und jagen sich mit Paintball-Gewehren durch den Wald. Eine Jugend im Berner Oberland, nichts Ungewöhnliches.
Aber das ist nur die Hälfte der Geschichte: Immer wieder sitzen sie auf ihren Töffli und heizen durch die Dörfer, auf der Suche nach dem Kick im Emmental. Oder sie schauen den Mädchen nach, bringen aber nur ein Krächzen raus, wenn sie vor ihnen stehen. Immer wieder streiten sie sich mit ihren Eltern und vermissen sie, sobald sie im Streit aus der Wohnung gerannt sind. Wie widersprüchlich die Jahre als Teenie sind, das fängt dieser Film wie wenige andere ein. Mir kommt nur Fickende Fische (Almut Getto, D 2002) in den Sinn, der vor ein paar Jahren den Drehbuchpreis der Deutschen Filmkritik gewonnen hat und ein fabelhafter Film ist.
Silberwald, diese Geschichte über das Erwachsenwerden, ist eine Gratwanderung zwischen Spass und Ernst, ein Hin und Her zwischen der Welt der Eltern und ihrer eigenen, die sich die Jungs aus Ballerspielen und Ausflügen zu einer Hütte im Wald zusammenbasteln. Zu einer Hütte, in der sich die Neonazis der Gemeinde treffen, ihre atemlose Metallmusik hören und drüber nachdenken, wem sie das Leben versauen können. Das alles ist grossartig gespielt, Silberwald ist bis in die kleinste Nebenrolle hervorragend besetzt, wirkt fast schon wie ein überästhetischer Dokfilm. Man kann hier bis in die Details hinein verfolgen, wie sich einer, vor allem aus Verwirrung und Ratlosigkeit, nach rechts bewegt.
Sascha, die Hauptfigur ohne Nachnamen, hängt am Anfang nur herum und kann sich für keine Lehre entscheiden. Er heuert bei einem Bauern an und hilft ihm beim Holzhacken. Er stiehlt sich durchs Dorf und lügt seine Mutter an. Am Ende bringt er seinen ersten Baum zu Fall und lächelt eins von vielleicht drei Lächeln während dieser anderthalb Stunden, die zum Besten gehören, was Schweizer Filmemacher in den letzten Jahren gedreht haben. Christine Repond, in Solothurn mit dem Nachwuchspreis ausgezeichnet, malt das Porträt eines Dorfes ohne Namen, das jedes sein könnte, irgendwo im Hinterland, irgendwo im Nirgendwo. Sie zeigt, wie schnell einer sich im Wald verirrt und meint, sich eine Glatze rasieren zu müssen, um in der Holzhütte der Neonazis an Partys zu gehen und Freunde zu finden, die ihm passen. Repond reisst mit, indem sie uns Figuren zeigt, wie sie an jedem Bahnhof in der Pampa herumlungern: Voller Langeweile und Tatendrang.