In der Produktion wie bei der Projektion sind dem klassischen Filmbild Grenzen gesetzt: Der Kameramann wählt die Cadrage, die Kamera nimmt einen Ausschnitt auf, später wird ein begrenztes Bild projiziert oder auf einem Bildschirm wiedergegeben. Innerhalb dieser engen technischen Vorgaben scheinen die Möglichkeiten jedoch grenzenlos: Seit der Erfindung des Kinos werden stets neue Dimensionen ausgelotet, innovative Filmemacher sprengen immer wieder formale und inhaltliche Grenzen, spielen mit den Begrenzungen von Genres und ästhetischen Traditionen. In CINEMA 57 liegt unser Augenmerk auf den unterschiedlichen technischen, formalen, ökonomischen und inszenatorischen Aspekten, welche diese Begrenzungen mit sich bringen. Andererseits fragen wir danach, wie Grenzen inszeniert werden: In Zeiten der Globalisierung, der Flüchtlingsströme, Arbeitsmigration und zunehmender Mobilisierung sind Grenzen und Ausgrenzung, aber auch der Blick über Grenzen in transnationale Räume brisant – auch für das Kino. So beschäftigt sich ein Beitrag mit Filmen, die das Schicksal italienischer Gastarbeiter in der Schweiz thematisieren, ein anderer widmet sich dem Klassiker Die letzte Chance von Leopold Lindtberg (CH 1945), in dem die Flucht zweier geflohener Kriegsgefangener und einer Flüchtlingsgruppe in die Schweiz erzählt wird. Ein weiterer Text spürt den Zwischenorten in Filmen der iranischen Diaspora nach. Auch Filmschaffenden werden immer wieder Grenzen gesetzt – primär durch die ökonomischen Mittel. In diesem Zusammenhang schildert ein Erfahrungsbericht, wie ein ambitionierter Low-Budget-Film dramatisch Schiffbruch erlitt. Zudem geben der Filmemacher Christoph Schaub und der Produzent Marcel Hoehn anlässlich ihrer aktuellen Grossproduktion Nachtlärm Auskunft über ihre langjährige Zusammenarbeit sowie über Vor- und Nachteile von Koproduktionen. Die Beschränkungen sind für Filmschaffende aber durchaus nicht nur ökonomischer Natur: Am Beispiel der Zürcher Bewilligungspraxis für Kinofilme verfolgt ein Beitrag, wie sich die Demarkationslinie des sensorisch Zulässigen ab den 1910er-Jahren entwickelte. Filmschaffende lassen sich auch immer wieder von anderen Kunstformen inspirieren. Gerade an der Schnittstelle zur bildenden Kunst entstehen so faszinierende Projekte oder gar neue künstlerische Ausdrucksformen: Eine Recherche ist dem Expanded-Cinema in der Schweiz gewidmet – einer Kunstpraxis, die ab den 1950er-Jahren ganz neue Kinoerfahrungen evozierte. Zudem erörtert ein Text, wieso gerade bei Essay-Filmen spezielle Interaktionen zwischen Film und Publikum entstehen können. Der Bildessay entstand auf einer Europareise abseits touristischer Sehenswürdigkeiten: Die beiden Künstler arbeiteten mit einer selbstgebauten Loch- und einer Super8-Kamera; mit anachronistischen Techniken also, die im Kontrast zu der heute omnipräsenten Digitalfotografie stehen. Nicht zuletzt widmet sich CINEMA 57 auch den Filmfiguren: Bereits die griechische Tragödie kannte Figuren, die sich auf kompromisslose Art und Weise nicht mit Begrenzungen abfinden wollten. Dieser Figuren-Typus ist bis heute attraktiv. Ein Text analysiert die von Klaus Kinski verkörperten Eroberer-Figuren in den Filmen von Werner Herzog und zeigt, wie deren Überheblichkeit unweigerlich zum Scheitern führt. Was hingegen passiert, wenn Filmfiguren eingesperrt und von der Aussenwelt isoliert werden, nimmt ein weiterer Artikel unter die Lupe. In den zusätzlichen Rubriken finden sich ein literarischer Beitrag des Schriftstellers Perikles Monioudis, ein hochaktueller Filmbrief aus Ägypten sowie eine Recherche zum Filmschaffen von Yves Yersin. Für die Momentaufnahmen konnten wir dieses Jahr sechs Schweizer Produzenten gewinnen. Für die Redaktion Anita Gertiser, René Müller
CINEMA #57
BEGRENZUNGEN
EDITORIAL
ESSAY
MOMENTAUFNAHME
ETERNAL SUNSHINE OF THE SPOTLESS MIND (MICHEL GONDRY, USA 2004)
CH-FENSTER
FILMBRIEF
SELECTION CINEMA
SIRA – WENN DER HALBMOND SPRICHT (SANDRA GYSI, AHMED ABDEL MOHSEN)