PETER LIECHTI

NO COUNTRY FOR OLD MEN (ETHAN COEN/JOEL COEN, USA 2007)

MOMENTAUFNAHME

«Das Publikum lehnt das Genie instinktiv ab. Darum bringen es zweit- oder drittrangige Talente meistens rascher zum Erfolg als die erstrangigen. Das Genie ist seiner ganzen Natur nach ungemütlich; das Volk liebt aber die Gemütlichkeit ... », so der grosse Robert Wal­ser. Un­gemütlichkeit war für mich immer ein Kriterium für gute Kunst, und gute Kunst ist immer politisch. Der ungemütlichste Film, den ich in den letzten Jahren sah, war No Country for Old Men der Coen-Brüder. Wo die Ungemütlichkeit eine derartig konsequente Form annimmt, hat sie schon wieder etwas Tröstliches. Und zwar für uns, das Publikum, nicht für die Helden im Film. Diese bedauern wir hier nicht besonders, weil der Film nicht manipuliert, das heisst zu keiner Identifikation zwingt und uns damit in eine völlig unsentimentale Nachdenklichkeit und Betroffenheit hineinführt. Auch gute Ko­mödien können ungemütlich sein, genau wie gute Witze. Dann hilft nur: über sich selbst lachen, das beste und «politischste» Lachen überhaupt. Ein Lachen, dass Gott erbarm.

Peter Liechti
geb. 1951, Filmemacher, lebt in St. Gallen, Ausflug ins Gebirge (1986), Kick that Habit (1989), Grimsel (1990), zur Zeit „Unrast“.
(Stand: 2019)
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