Strähl ist Drogenfahnder an der Zürcher Langstrasse und ein tablettensüchtiger Choleriker. Die grossen Fische wollen ihm nicht ins Netz gehen, dafür schlägt er sich tagtäglich mit Kleingaunern, Prostituierten und Junkies herum. Um den frustrierenden Job zu verdauen, füttert der verwahrloste, einsame Cop in seiner Wohnung Piranhas mit Frischfleisch. Ein Routinejob wird ihm zum Verhängnis: Während einer Hausdurchsuchung stürzt ein Fixer aus dem Fenster, und Strähl wird suspendiert. Nur das Junkie-Paar René und Carol können ihn entlasten. Strähl, durch seine Tablettensucht längst selbst in die Illegalität abgerutscht, greift schliesslich zu radikalen Mitteln: Er überfällt den Kleindealer Beko, um das Fixerpärchen mit Heroin zu bestechen.
Die Inhaltszusammenfassung von Manuel Flurin Hendrys Strähl klingt, als wäre The French Connection an die Zürcher Langstrasse versetzt worden. Strähl ist aber nicht nur ein Genrekrimi, sondern auch eine prägnante Milieustudie, eine wunderschöne Romanze und ein etwas anderer Heimatfilm. Reminiszenzen an die betulichen «Chreis Cheib»-Porträts von Kurt Früh in Bäckerei Zürrer und Hinter den sieben Gleisen sind nicht zufällig, doch der Mikrokosmos von Rotlichtmilieu, Drogenghetto, Ausländer- und Studentenviertel ist in Hendrys Version einiges härter geworden, wozu auch die grobkörnigen, kühlen Bilder von Kameramann Filip Zumbrunn beitragen. Dass das Team wegen fehlenden Budgets während des ganzen Drehs keine einzige Strasse absperren konnte und dadurch den unberechenbaren Reaktionen des Milieus ausgesetzt war, mag zwar ein Stress gewesen sein, trägt aber zum authentischen Lokalkolorit des Langstrassen-Krimis bei – wie auch die grossartigen schweizerdeutschen Dialoge von Michael Sauter und David Keller. Das Autorenteam des erfolgreichen RS-Klamauks Achtung, fertig, Charlie! leistete sich in diesem Herzensprojekt einen durchaus subversiven Unterton: Die kleinbürgerlichsten Träume hat der drogenabhängige Fussballfan René, der verwahrloste Drogenbulle teilt sich dagegen liebevoll Pillen mit der jungen Fixerin, die gerade aus einem Heim abgehauen ist.
Manuel Flurin Hendry beweist in seinem Erstlingsfilm nicht nur grossartiges Gespür für das Langstrassen-Milieu und für eine rasante Inszenierung, sondern auch eine sichere Hand in der Schauspielerführung. So zeigt die junge Theaterschauspielerin und Filmdebütantin Johanna Bantzer in der Rolle der Carol eine grossartige Leistung und wurde in Saarbrücken zu Recht mit dem Nachwuchspreis ausgezeichnet. Dreh- und Angelpunkt von Strähl ist aber die gleichnamige Hauptfigur, der sowohl melancholische wie reizbare Cop, dessen emotionale Überforderung Roeland Wiesnekker mit beängstigender Intensität darstellt. Mit Leichtigkeit trägt der Theater- und Filmschauspieler, bekannt auch aus der Schoggi-Soap Lüthi & Blanc, den ganzen Film. Unterstützt werden Bantzer und Wiesnekker von Manuel Löwensberger als nervig leiernder Junkie sowie von Mike Müller, der als Bulle im Tanga für komische Momente sorgt.
Nach diesem gelungenen Debütfilm kann man nur hoffen, dass das Smarties-Orakel, mit dem Carol in Strähl jeweils die Zukunft voraussagt, der jungen Schweizer Filmszene weiterhin so gut gesonnen ist.