Schaut man ihm bei der Arbeit zu, fühlt man sich in andere Zeiten oder ferne Länder versetzt: Renzo Maroli ist siebzigjährig und lebt Winter wie Sommer in den bescheidenen Alphütten an den steilen Hängen über dem Bergeller-Dorf Castasegna. Ein drahtiger Bergler, wie er im Buche steht, mit weissem Bart und Wollmütze. Im Sommer mäht er das Gras, zettelt es und bringt es ein, kümmert sich um das Vieh, melkt und macht Käse. Im Herbst recht er das Laub zusammen, spaltet Holz für den Winter, sammelt die Steine von den Wiesen. Das Brot holt er im Dorf unten, dort zu leben, kann er sich aber nicht vorstellen - wenn, dann am ehesten als Dachdecker, «weil man hoch oben ist und runterschaut». Im Winter liest er viel, über Geschichte und ferne Länder. Obwohl es ihn selbst nie fortgezogen hat - zweimal war er in der Stadt, und das hat ihm bloss Kopfweh und Müdigkeit beschert.
Die Kamera zeigt Maroli bei seinen alltäglichen Verrichtungen, beim Aut und Ab an den grasigen Steilhängen seiner geliebten «monti», über die im Herbst die Nebel hinwegziehen und sich im Winter der Schnee legt. Hastig - und ganz im Gegensatz zu seiner sonstigen Bedächtigkeit - schildert er seinen Tagesablauf und den Wechsel der Tätigkeiten das Jahr über. Gerne würde er sein einsames Leben mit jemandem teilen, seine Werte am liebsten einem Sohn weitergeben und ihn lehren, was es heisst, in Einfachheit zu leben, die Unabhängigkeit zu geniessen, die Einsamkeit wertzuschätzen. Doch leider hat er in jungen Jahren nicht daran gedacht, und nun ist es wohl zu spät: «L’è uscia» - so ist es nun, und basta, meint er dazu.
In einfachen Aufnahmen, die die schlichte Idylle wiedergeben, das Klischee aber vermeiden, porträtieren Mike Wildbolz und der Bündner Urs Frey, der das Drehbuch geschrieben hat, den sympathischen Älpler. Aus den Bildern und den Erzählungen Marolis steigt die Sinnlichkeit des einfachen Lebens: das knisternde Feuer unter der brodelnden Polenta, das Rascheln des Heus, der Schluck vom «guten» Wein, der selbst gemachte Käse, die Abend- Stimmung mit dem Blick auf die sanft geröteten Berggipfel. Das unprätentiöse ethnografische Dokument gewinnt so fast synästhetische Dimensionen.