Elf Jahre dauerten die Dreharbeiten zu Le salaire de l'artiste, einer breit angelegten Dokumentation des Künstlers Laurent Veuve. Jacqueline Veuve begleitet ihren Sohn, der als Künstler überraschend früh nationales und internationales Ansehen errang. Es zog ihn nach New York, wo er sich Anregungen und Impulse für sein Schaffen erhoffte. Doch nach einer anfänglich euphorischen Phase kam die ziehe Sorgen und persönliche Versagensängste, von denen er sich nur langsam wieder zu befreien vermochte.
Man sicht vielseitige Ausschnitte aus dem Leben des Künstlers und kann die Schaffensprozesse in seinen verschiedenen Ateliers mitverfolgen. Sein künstlerisches Suchen gilt den Einsamen in der Masse, zu denen sich Laurent selbst zählt: Uber sie wird auch im Film ausführlich gesprochen.
Die aktuellen Bilder sind mit Filmmaterial aus Laurents Kindheit und Jugend, mit Fotos und Kunstwerken Laurents sowie mit dokumentarischen Filmaufnahmen von früher moniert. Mit sensibler Bildführung schafft Jacqueline Veuve einen schönen Einblick in das Lebenswerk ihres Sohnes, zu dem auch der Zerstörungsprozess gehört. Durch die Jahre wird deutlich, wie stark das Leben mit seinen schönen Momenten, den unerwarteten Erfolgen und den Schattenseiten des Alltags die Entwicklung des Films beeinflusste, gerade auch weil es sich um ein Projekt zweier sich sehr nahe stehender Menschen handelte.
Gegen Ende des Films wird ein Wandel in der Erzählweise erkennbar: Eine traumtänzerisch bewegte Kamera und ein schnellerer Rhythmus der Bilder sind Ausdruck dafür. Nachdem Laurent eine gewisse Ruhe und Selbstvertrauen wiedererlangt hatte, begann er aktiv in den Dokumentationsprozess seiner Mutter einzugreifen. Er übernahm die Regie, um seinen wachsenden kreativen Elan eigenhändig bildlich festzuhalten und anschliessend seine Mutter im Gespräch vor den neu entstandenen Werken mit sich selbst und dem Innenleben ihres Sohnes zu konfrontieren.
Der Dokumentarfilm ist mit Voice-over-Kommentaren unterlegt, die aus Gesprächen zwischen Jacqueline und Laurent stammen und denen das Moment des Ennnerns an die vergangenen Lebensphasen eingeschrieben ist. So handelt es sich bei den Äusserungen nie um eine einfache Beschreibung des Visuellen, sondern um eine an die Bilder anknüpfende reichhaltige Informationsvermittlung. Was aber im Hintergrund bleibt, ist eine Konfrontation des Künstlers mit seinem Leben und seiner Erinnerung und eine dadurch angeregte Auseinandersetzung mit sich selbst. Der Zuschauer wird nicht in die reflexiven Prozesse miteinbezogen, und er erfährt nur wenig über die Hintergründe und die Gedanken des Künstlers. Hier wird eine zurückhaltende Technik des Dokumentierens ersichtlich, die sich im gesamten dokumentarischen Schaffen Jacqueline Veuves wiederfindet. Denn das Vertrauen der Menschen, die sie dokumentiert, nicht zu brüskieren, ist für ihr Schaffen von überragender Wichtigkeit.