Jürg Neucnschwander ist nicht an seinem ersten Versuch, aussereuropäische und zeitfremde Themen der zeitgenössischen Schweizer Wahrnehmung zu unterwerfen. Nach Dreherfahrungen in Asien - und seiner Exkursion, in Kräuter und Kräfte (1995), ins Landesinnere - hat der Dokumentarfilmer mit Q - Begegnungen auf der Milchstrasse nun sein Anliegen realisiert, «beide Stränge, die Behandlung der fremden Kultur und der eigenen, einmal zusammenzuführen». Die Konfrontation westafrikanischer Viehzüchter mit Schweizer Milchproduzenten erweist sich als gehaltvoll, zumal der visuelle Anspruch des Films und die kulturkritischen Anstösse, die er liefert, die aktuelle Diskussion um Globalisierung und Regionalisierung für einmal konkret vermitteln.
Die Schweizer Reise, die drei Westafrikaner durchs Seeland, das Engadin und das Berner Oberland führt, taugt allerdings kaum zur Demonstration des Nord-Süd-Gefälles: Die Dramaturgie von Q orientiert sich zu sehr am konkreten Thema, als dass sie ein abstraktes Konzept illustrieren könnte. Auch ist der Film nicht chronologisch geschnitten und verbindet die verschiedenen Drehorte in Mali, Burkina Faso und der Schweiz weniger zu einer räumlichen als zu einer thematischen Einheit. So sind die Begegnungen zwischen den schwarzen und den weissen Viehzüchtern zwar nicht inszeniert, aber doch, vor allem in Hinsicht auf die sich ergebenden Parallelen, bewusst herbeigeführt: Amadou Dick und der Seeländer Grossbauer Heimberg haben eine jeweils verschiedene Vorstellung vom Fortschritt; in ihrem Erfolg als Unternehmer lässt sich indes eine gewisse Verwandtschaft erkennen. Der biodynamisch produzierende Hurter und der studierte Veterinär Ly schreiben ihrerseits der Kuh zwar nicht dieselbe kosmische Bedeutung zu, doch sind beide immerhin von der Existenz ihrer Seele überzeugt. Alle verbindet indes ein sinnliches und vitales Interesse am Tier: Im Lauf der Diskussionen - aber auch während der Interviews mit den Schweizer Bauern und den afrikanischen Szenen - wird das Verhältnis zwischen Mensch und Vieh angesprochen ebenso wie die Verarbeitung der Milchprodukte, die natürlich und künstlich erzielbaren Milchmengen, die Frage der künstlichen Besamung, das Problem der Ernährung und des Wassers. Der stete Perspektivenwechsel, den der Schnitt induziert, wirkt hierbei nuancierend. So scheinen die hörner- und buckellosen Schweizer Kühe in afrikanischen Augen offenbar hässlich und die prallen Euter der hiesigen Milchkühe angesichts der mageren Sahclherden geradezu obszön. Die Bilder der riesigen Viehherde, die eines Morgens zur Überquerung des Nigers antritt, werfen jedoch die Frage auf, ob die extensive Zucht angesichts des mageren Weidelands nicht einen ähnlich diskutablen Überfluss produziert. Probleme sind offenbar, wie auch die Ästhetik der Kühe, kontextabhängig.