Die Zeiten des politischen Films scheinen in der Schweiz vorbei. Man hütet sich nun vor griffigem Zupacken und klarer Sprache, die man früher auch allzuoft mit Politfloskeln verwechselte. Nun macht man „Annäherungsfilme“, Filme, die offen lassen und nur allzuoft allzulieb sind. Murers Film verzichtet auch auf offene Wertung und Polemik, er ist jedoch klar und präzis. Ein politischer Film zur Schweiz 1989, in der die Zweischneidigkeit des wirtschaftlichen Fortschritts allmählich auch im hintersten Tal gefühlt wird. Murer setzt die Problematik der Endlagerung radioaktiver Abfälle im Nidwaldner Wellenberg mit grosser Bestimmtheit und Klarheit in Film um (einzelne Längen sind verzeihbar angesichts der Halbwertzeiten radioaktiver Elemente). Betroffene Bauern, die sich gegen die Lagerstätte wehren, Vertreter der Nagra und Dorfvertreter, die fast so aussehen wie die Bauern, angesichts erhoffter Profite aber die Position der Nagra einnehmen, kommen zu Wort. Eindrücklich, wenn die Bauern, die man lieber mit Natur und Folklore in Verbindung bringen wurde, von Radioaktivität und Tschernobyl sprechen. Und wenn jemand von ihnen sagt, dass sie ein Wörterbuch brauchen würden, um die Sprache der Nagra-Vertreter zu verstehen, dann ist dem anzufügen, dass den Nagra-Leuten nicht einmal ein Wörterbuch helfen würde, die Betroffenen zu verstehen. Ein Bruch, schon sichtbar am Blick, mit dem sie in die Kamera schauen, trennt fein säuberlich Betroffene und Profitierende. (Leider ist Weitblick keine einheimische Tugend, so dass sich Betroffenheit meist nur einstellt, wenn der Boden unter den eigenen Füssen ausgehöhlt wird.)
SELECTION CINEMA