HEINI ALPER

VIDEOCITTÀ (PAOLO POLONI)

SELECTION CINEMA

Der spanische Gemüseladen an der Ecke ist eine Videothek geworden, wo man sich nach dem Nachtessen mit Action und Erotik, Horror und Humor „eindecken“ kann; zuhause werden die Videos dann „inezöge“ — oder ziehen sie einen ihrerseits rein? 1500 Franken gibt ein Befragter im Monat für Leihgebühren aus; er findet aber keineswegs, er sei süchtig, obwohl er jede Nacht „ein Film um der ander inezieht“; man vertreibt sich die Zeit, weil man grad nichts anderes zu tun hat. Die fehlende Wirklichkeit wird ersetzt durch Video - das ist der Punkt, auf den Poloni sein Video bringt; VideostattStadt (so der deutsche Titel). Wirklichkeitsverlust, Erfahrungsverlust, Kulturverlust — Folgen eines massenhaften, unkritischen Videokonsums? Der Zusammenhang ist zweifellos gegeben, wenn auch eher umgekehrt.

Formal ist Videocittà ein sinn- und bezugsreicher Komplex von Originalaufnahmen, collageartig montierten Filmausschnitten, Montagetricks, elektronischen Einblendungen, digitalen Bildern; besonders gelungen, das Interview mit dem Stammkunden, wo das ewige Einerlei des Frage-Antwort-Spiels dadurch aufgebrochen worde, dass die Fragen als sekundenbruchteilschnelle Zwischentitel erscheinen. Und die ganze Zeit erinnert uns ein in der rechten unteren Bildecke eingeblendeter Miniaturbildschirm daran, dass die Wirklichkeit auch im Video präsent ist - als Video.

Heini Alper
geb. 1946, Mitglied der S-8 Gruppe Zürich und Mitarbeiter verschiedener Filmprojekte, arbeitet in der Dokumentation „Wort“ des Schweizer Fernsehens DRS.
(Stand: 2019)
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