PETER SCHNEIDER

TRANSATLANTIQUE (HANS-ULRICH SCHLUMPF)

SELECTION CINEMA

TransAtlantique erzählt von einem Ethnologen, der Heimat und Frau für eine begrenzte Zeitspanne verlässt, um bei den Indianern des Matto Grosso das ganz andere Leben zu suchen. Der Film porträtiert im wesentlichen die Zeit des Uebergangs von der alten in die neue Kultur. Mit der Schiffspassage von Genua nach Brasilien reproduziert er jenes sanfte, transitorische Existenzgefühl, welches Reisende überfällt und aus ihnen eine kommunikationsfreudige Gemeinschaft auf Zeit macht. Diese Bordatmosphare gibt der Film durch friedlich nebeneinanderstehende, dokumentarisch aufgezeichnete Anekdoten von Passagieren und durch den gemächlichen Montagerhythmus einfühlsam und treffend wieder.

Darüber hinaus versucht TransAtlantique das Phänomen des Reisens exemplarisch in einem Einzelschicksal zu fassen. Mit der Geschichte des etwas naiven, sympathisch-trotteligen Ethnologen Roger Wiedmer, der aus der heimatlichen Enge flüchtet, um auf den geistigen Spuren von Claude Levy-Strauss das Leben bei den Indianern zu suchen, hinkt der Film allerdings ständig etwas hinter dem eigenen Wissen her. Der Ethnologe und seine Zufalls-Geliebte Zaira sind mit groben Zügen ausgestattete didaktische Figuren, welche den Zusammenprall zweier Kulturen vordemonstrieren und plakativ ausdiskutieren. Erst zum Schluss findet Wiedmer - durch die läuternde Erfahrung mit Zaira und den so selbstgewiss und ungebrochen sich darstellenden Passagieren - zu seiner Selbstbestimmung. Massgeblich geholfen hat ihm dabei ein lebenserfahrener argentinischer Ethnologe, welcher diese Wissenschaft als Suche nach der eigenen Kultur begreift: Offen bleibt, ob Wiedmer wie vorgehabt in den Matto Grosso reist.

Der Film drängt mit seinem verwirrten Helden, aber auch durch gewisse dokumentarische Interviews, öfters zur Komödie, welche Ernsthaftigkeit und Sehnsucht im Lachen aufzuheben vermag. In solchen Momenten überbringt der Film seine Botschaft unterhaltend, organisch und lebendig unmittelbar; an anderer Stelle redet er sie eher gezwungen, modisch gewordene Versatzstücke der Ethnozentrismusdiskussion zitierend, herbei.

Peter Schneider
Keine Kurzbio vorhanden.
(Stand: 2020)
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