JONAS ULRICH

LOVE ISLAND (JASMILA ŽBANIC)

SELECTION CINEMA

Zwei Meerjungfrauen tanzen lasziv zum Rammstein-Lied «Du Hast». Zwar nur eine Traumsequenz, zeigt die Szene jedoch deutlich, dass von Love Island kein fades TV-Be­ziehungsmelodrama erwartet werden muss. Regisseurin Jasmila Žbanic erzählt mit farbenfroher, verspielter Inszenierung die Geschichte von Grebo, der die Ferien mit seiner schwangeren Frau Liliane in einem idyllischen Inselparadies verbringt. Die traute Zweisamkeit wird gestört, als Grebo bei einer Karaoke-Party der verführerischen Flora über den Weg läuft. Er fühlt sich sofort von der rothaarigen Deutschen angezogen, vermag dies aber vorerst zu verbergen. Was Grebo nicht weiss: Auch Liliane und Flora kennen sich und haben eine gemeinsame Vergangenheit.

In ihrem vierten Spielfilm macht die Bosnierin Žbanic vieles richtig: Neben einem sympathischen Hauptdarsteller (Ermin Bravo) und einem liebenswürdigen Setting im Ferienresort-Mikrokosmos inklusive witzigen Nebenfiguren (Franco Nero!), verfügt der Film über einen zackigen Erzählrhythmus. Das «comic timing» ist auf den Punkt gebracht und die Situationskomik mag plump daherkommen, geht aber in den meisten Fällen auf.

Das Problem liegt weniger an der Umsetzung als am Grundkonstrukt der Story. Diese wirkt nämlich, als wäre sie direkt einem schnulzigen Erotikroman entnommen, den man für 10 Franken am Bahnhofskiosk kauft. Der Plot ist eine reine Männerfantasie: Der Ehemann verbringt die Ferien mit der schönen Frau auf einer paradiesischen Mittelmeerinsel und trifft dabei auf eine ebenso schöne Unbekannte, die – oh holder Zufall – nicht nur eine ehemalige Pornodarstellerin, sondern auch die Ex-Geliebte der Ehefrau ist. Bei Žbanic hätte man da einen interessanten Twist, ein Spiel mit den gängigen Rollenmustern erwarten. Doch nichts dergleichen wird geboten. Das Szenario verläuft trotz inszenatorischem Einfallsreichtum genau so, wie man es sich ausmalt – inklusive der Szene, wo der Ehemann die beiden Frauen im Bett überrascht.

Geschlechterpolitische Ansätze scheinen Žbanic nicht gross interessiert zu haben, und der Film versucht nirgends mehr als eine unterhaltsame Komödie sein. Einzig in der Schlusssequenz bekennt der Film gewissermassen Farbe und leistet ein (ziemlich einfältiges) Plädoyer für die Freiheit und Vielfalt der Liebe. Dies ist allerdings derart überzeichnet und in Bollywood-Manier vorgetragen, dass man dem Film diese Einfältigkeit kaum übelnehmen kann. Um es mit einem anderen Rammstein-Song zu sagen: Liebe ist für alle da!

Jonas Ulrich
*1990, seit 2009 Studium der Geschichte, Filmwissenschaft und Rechtswissenschaft an der Universität Zürich. Daneben freischaffender Filmkritiker und tätig in der Produktion von Musikvideos und Kurzfilmen. www.atopic.ch
(Stand: 2016)
[© cinemabuch – seit über 60 Jahren mit Beiträgen zum Schweizer Film  ]