DORIS SENN

BÖDÄLÄ – DANCE THE RHYTHM (GITTA GSELL)

SELECTION CINEMA

Egal, ob da einer in der Toggenburger Tracht die Tanzpartnerin hofiert, im Morgengrauen durch das vom Raureif bedeckte Gras steppt oder auf der Bühne zu zweit eine atemberaubende Performance absolviert wird: Alles ist Rhythmus – Klopfen, Stampfen, Trommeln, Wischen, Wirbeln, Pochen und Pulsieren. Und zieht einen von der ersten Minute an in seinen Bann.

Ausgehend von einem urchigen Brauchtum – dem Bödälä, etwas salopp gesagt: einer schweizerischen Version des Stepptanzes – spannt Gitta Gsell in ihrem gleichnamigen Dokumentarfilm ihre Fäden in ein weltläufiges Geflecht von Tanztraditionen, in dem der Körper als Perkussionsinstrument dient. Mit den Füssen in erster Linie – aber auch mit den Händen und der Stimme. Dazu gehören Stepptanz, Irish Dance und Flamenco. Allen gemeinsam ist die Verbindung des perkussiven Elements mit der Bewegung, dem Tanz. Und was es da an Möglichkeiten gibt, ist schlicht atemberaubend – insbesondere, wenn die traditionellen Formen mit innovativen Elementen aufgemischt werden.

So etwa Lukas Weiss, der allein, aber auch in der Gruppe (Friends & Rhythm), eine kosmopolitische Collage aus den verschiedensten Perkussionstraditionen miteinander verbindet und sie auf den unterschiedlichsten Unterlagen erprobt: von der Parkbank über die Betontreppe bis hin zu Holz- und Metallplatten. Oder Ania Losinger, die nach vielen Jahren Flamenco den Ausbruch wagte und nun eine faszinierende Klanglandschaft mit ihrem Xala schafft: einem mit langen Stöcken und tanzend bespielten Bodenxylophon.

Gitta Gsell, von welcher der Spielfilm Propellerblume (1997) und das Doku-Porträt Irène Schweizer – Jazzpianistin (2006) stammen, wollte mit ihrem Projekt der Faszination des selbst erzeugten Rhythmus auf den Grund gehen und dabei auch die kontroverse Beziehung zwischen Tradition und Moderne unter die Lupe nehmen. Was ihr in ihrem assoziativ zusammengestellten Film auch gelingt: So etwa wenn sie die Irish-Dance-Weltmeister-Anwärterin Sabrina Wüst porträtiert, die mit der Lockenperücke und dem püppchenhaften Kleid hadert, beides Bedingungen für den Wettkampf. Oder wenn sich beim Bödälä die Geschlechterfrage stellt, weil Frauen sich ebenfalls mit den Holzabsätzen auf der Tanzbühne Gehör verschaffen wollen. In einer leichtfüssigen Montage verbindet Bernhard Lehner in Bödälä – Dance the Rhythm die verschiedenen Facetten dieses Phänomens und die Porträts der Protagonisten. Um den einheimischen Aspekt zu gewichten, kommt das Schweizer Brauchtum rund um das Bödälä vielleicht etwas zu ausgiebig zum Zug: die Volksmusik-Stubete im Toggenburgischen, ein Viehmarkt, ein Alpaufzug – und was es an perkussiv-musikalischen Traditionen sonst noch gibt wie Geisselchlöpfen, Chlefelen, Talerschwingen und Zäuerlen. Doch obwohl hier etwas ausschweifend, ist der Film als Ganzes mindestens so packend und mitreissend wie das Phänomen, das er beschreibt.

Doris Senn
Freie Filmjournalistin SVFJ, lebt in Zürich.
(Stand: 2021)
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